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Zukunft, aber wo? Als Jürgen Strauss 1986 nach Kuba kam, spürte er bei den Menschen dort die Sehnsucht nach einer Zukunft ohne Diktatur – einer Zukunft, die weit weg schien. Bis zum 16. Juli stellt zeigt der Fotograf die damals entstandenen Bilder in der Galerie Mutter Fourage in Berlin-Wannsee.

© Jürgen Strauss

Kultur: Zwischen Sacrow und Havanna

Der Potsdamer Fotograf Jürgen Strauss zeigt Kuba – und verlegt Bücher über Potsdam

Tropisches Klima, weiße Strände und Nostalgie pur – das ist Kuba. Vor allem die Hauptstadt Havanna mit ihren verrosteten US-Oldtimern, ihren Cohiba-Zigarren und den prächtigen Kolonialbauten ist ein Inbegriff der gängigen Kuba-Klischees und beliebtes Reiseziel. Mit dem Tauwetter zwischen den langjährigen Rivalen USA und Kuba dürften noch mehr Touristen kommen. Vor über 50 Jahren trat Fidel Castro die Macht auf der Zuckerinsel an, eine Eiszeit zwischen den USA und Kuba brach an. Mit Barack Obama und Raul Castro begann sich zwischen beiden Staaten dieses frühlingshaftes Tauwetter einzustellen, das nun wieder gefährdet ist.

Jürgen Strauss freut die Aufmerksamkeit, die Kuba auch von Europäern erfährt. Der Potsdamer Fotograf und Verleger hatte vor mehr als dreißig Jahren durch den Verband Bildender Künstler der DDR die Möglichkeit, auf die Karibikinsel zu reisen und seine vielfältigen Eindrücke in Schwarz-Weiß- und Farbfotografien festzuhalten.

Von der Diktatur, von Grenzen, Mauern und unzugänglichen Orten auch zu DDR-Zeiten kann Jürgen Strauss lebhaft erzählen. Schließlich wohnte er selbst in der Exklave Klein-Glienicke, die ganz und gar eingemauert war. Sein Vater Joachim Strauss war dort Pfarrer. Doch sein Pfarrbezirk reichte eigentlich über politische Grenzen hinweg. Er war auch zuständig für die Gemeinden der St. Peter- und Paul-Kirche in Nikolskoe bei Wannsee und der Heilandskirche in Sacrow, deren seelsorgerliche Betreuung ihm seit dem 13. August 1961 verweigert war. Als 1989 die Mauer fiel, waren Pfarrer Strauss und seine Familie erschüttert vom fast zerstörten Zustand der Heilandskirche. Doch die Hoffnung überwiegte, dass sie eines Tages wieder im alten neuen Glanz erstrahlen wird. Und es gelang mit Hilfe vieler Organisationen, Firmen und Privatpersonen. Zur Heilandskirche hat Jürgen Strauss eine emotionale Verbindung, zumal im Sacrower Schloss seine Mutter aufwuchs und die Eltern auf dem kleinen Friedhof ihre letzte Ruhestätte fanden.

Das nahe Sacrow und das ferne Kuba haben im künstlerisch-verlegerischem Schaffen von Jürgen Strauss aktuell das Sagen. Die Kuba-Bilder des Fotografen, die er gegenwärtig unweit von Potsdam in der Galerie Mutter Fourage in Berlin-Wannsee präsentiert, erzählen vom morbiden Charme alter karibischer Metropolen und Bahnhöfe, vom verordneten revolutionären Geist à la Che Guevara und Fidel Castro. Ihre Bilder sind auf öffentlichen Plätzen stets präsent. Militärische Drills in den Schulen hat Strauss fotografiert, aber auch die berühmten Tabaksfelder, schmutzige Straßen und Bahnhöfe, an denen sich anscheinend niemand stört. Er berichtet ungeschönt und in atmosphärischer Dichte vom Unterwegssein und der Sehnsucht der Menschen nach einer Zukunft ohne Diktatur. Eine solche Zukunft war damals, als Jürgen Strauss von 1986 und 1988 für insgesamt gut sechs Monate in Kuba weilte, noch weit entfernt.

Es war der Wunsch des Potsdamer Fotografen, dass ihm sein Freund, der aus der französischen Stadt Reims stammende Raymond Loewenthal, bei Mutter Fourage seine künstlerischen Arbeiten zeigt. Der Sänger und Fotograf, der sich in den neunziger Jahren in Potsdam mit einem Konzert vorstellte, gibt nun einen Einblick in sein bildnerisches Schaffen. Die eher vom malerischen Duktus beherrschten Fotografien entstanden vorrangig in Paris. Loewenthal interessiert die Kunst der Graffitti-Sprayer. Pure Abbildungen vermeidet Loewenthal. Die reale Umgebung, in denen die Spray-Bilder entstanden sind, ist mit integriert. Die Fotografien, die auch skurrile und tragisch-komische Situationen zeigen, wirken oftmals wie Stilleben, ohne dass der Fotograf sie dafür dekorierte.

In der Galerie kann man in mehrere Foto-Bücher von Jürgen Strauss Einblick nehmen. Darunter in den Band „Potsdam in Porträts“, das bereits dokumentarischen und geschichtlichen Charakter hat. Von 1992 bis 1996 portätierte der Strauss die Gesichter von einigen Potsdamern, bekannten und unbekannten. Das Blättern ist auch ein Erinnern an Menschen, die bereits nicht mehr unter den Lebenden sind. Sie haben sich an ganz unterschiedlichen Positionen für Potsdam segensreich engagiert: das Malerehepaar Suse Ahlgrimm-Globisch und Hubert Globisch, der Journalist Gerhard Joop, der Potsdamer Ehrenbürger Friedrich Mielke, der sich als Denkmalpfleger ein Denkmal setzte, und der Kunsthistoriker Hans-Joachim Giersberg. Das Buch ist im Verlag von Jürgen Strauss erschienen. Seit den1990er-Jahren widmet er sich als Verleger hochprofessionell und sensibel dem Medium Buch. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt vor allem der Kunst, der Gartenwelt sowie den Architekturen vor allem in Potsdam und Umgebung.

„Die Heilandskirche am Port zu Sacrow“ ist die derzeit jüngste Bucherscheinung des Verlages. Herausgeberin Angelika Kaltenbach lädt mit acht weiteren Autoren ein, die Geschichte und die Gegenwart der Heilandskirche, die „zu den anmutigsten Schöpfungen, welche der Umgebung Potsdams beschert wurden“ gehört, zu erkunden. Jürgen Strauss freut es, dass in seinem Verlag das erste Buch über die Heilandskirche publiziert werden konnte, das Gotteshaus, das ihm und seiner Familie Heimat bedeutet.

„Fugacités. Blick auf die Vergänglichkeit“ von Raymond Loewenthal und Jürgen Strauss, bis 16. Juli in der Berliner Galerie Mutter Fourage, Chausseestr. 15 a

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