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Vielgesichtig. Die Ausstellung thematisiert das Schwelgen des Königs in barocker Pracht ebenso wie seine mangelnde Hygiene.

© Andreas Klaer

Kultur: Zwischen Hundehaufen und Blutspur

„Die Farben des Königs“ in der Produzentengalerie „M“ schwelgen, donnern, spuken

Ein sehr erfrischend unterhaltsames Porträt von Friedrich II. malt die Ausstellung „Die Farben des Königs“ in der „Galerie M“ des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler im Luisenforum. Und das beginnt mit einem Stuhlgang.

Fast wäre die eigene Tasche in das Loch gefallen, das unter dem weißen Stuhlgestell mit fehlender Sitzfläche klafft. Doch dort befindet sich ein Blecheimer, den die barock gewandete Künstlerin Annette Paul während einer Performance zur Vernissage goldig ausgemalt hat. Natürlich mit einem Augenzwinkern unter ihrer breiten Hutkrempe. Die Potsdamer Künstlerin thematisiert mit ihrer einfachen, aber durchaus wirkungsvollen Installation eines „Kackstuhls“ – so nannte Elisabeth Charlotte, Prinzessin von der Pfalz und Schwägerin des Sonnenkönigs Ludwig XIV., dieses tragbare Klosett an seinem Hofe in Versailles – Friedrichs wohl saumäßige Hygiene.

„Sein Wagen, sein Bett, sein Schlafzimmer sind von unvergleichbarer Unsauberkeit“, schrieb ein französischer General, der 1773 in Potsdam weilte. Über alles Weitere kann man nur mutmaßen, jedenfalls haben sich „Jahrhunderte lang die königlichen Herrschaften auf den Gängen der zugigen Gemäuer entleert und sich selten die Mühe gemacht, wenigstens den Festungsgraben zur Erleichterung zu nutzen“, ist in dem sehr informativen und lesenswerten Begleitheft zur Ausstellung zu erfahren. Auch dass es Wasserklosetts erst nach 1820 gab. So wäre dieser Stuhl von Annette Paul wohl schon der Gipfel an Hygiene für Friedrich gewesen. Im Gegensatz zu den wohl eher bäuerlichen Manieren des Königs steht die ausladende Ausstattung seiner Schlösser mit edelsten Tapeten, Mobiliar und Kunstwerken. Und so bekommt der Stuhl auch in der Ausstellung sein passendes Pendant: eine Rosentapete mit dem in Blattgold applizierten Schriftzug „Schwelgen“.

Die kleine Ausstellung lässt trotz der sieben beteiligten Künstler ausreichend Raum, sich dem königlichen „Spiel“ lustvoll hinzugeben, auch wenn es noch mit „Hundehäufchen“ gepflastert ist. Maren Simons „Häufchen in Manschette“ kommt allerdings auf den Sockel gehoben in Gestalt eines Törtchens unter einer Glasglocke daher. Es würdigt die Liebe Friedrichs zu seinen Hunden ebenso wie die „Tretminen“ auf den heutigen Potsdamer Straßen. Und über allem leuchtet neon der Schriftzug „Superbe“ von Rainer Gottemeier. So hieß einer der Hunde des Königs, der das Französische so liebte. Noch im Sterben befahl der Herrscher seinem Diener, den frierenden Superbe mit einer Decke zu wärmen.

Einen verwundeten Soldaten oder einen kämpfenden Infanteristen kann man auf Marianne Gielens „Feindliche Linien“ erahnen. Ihr „blutgetränktes“ Bild, das in feurigen Rottönen die Kriegsmaschinerie dröhnen lässt, gibt Raum zum freien Assoziieren. So wie er sich selbst bis zum Äußersten ins Schlachtfeld warf, rief er auch seinen Soldaten zu: „Kerls, wollt ihr ewig leben“.

Wer Muße hat, sich die Kopfhörer aufzusetzen und sich auf die Videoarbeit von Walter Gramming und Uschi Frank einzulassen, wird eine theatrale Ausformung von Friedrichs Zerrissenheit erleben. Man sieht eine schlanke blondhaarige Frauengestalt in engem königsblauen Tanztrikot elfengleich auf einer Küchenzeile entlangkriechen. Sie öffnet die Schubladen, knipst Licht an, betätigt den Wasserhahn. Dazu sind undeutlich Texte zu hören. Um hinter den Sinn dieses zersplitterten fünfminütigen Spuks zu kommen, empfiehlt es sich, den Beitext zu lesen. Das Video bezieht sich auf ein Stück von Heiner Müllers „Leben Gundlings Friedrich von Preußen Lessings Schlaf Traum Schrei“. Der Autor deutete den Feldherrn als Witwenmacher und so ist die Küchenzeile als Sinnbild für das Schlachtfeld der Frau zu sehen. Bei Müller fiel eine Soldatenfrau vor dem Herrscher auf die Knie, bat erfolglos um das Leben ihres Mannes und achtfachen Vaters. „Ich leer die Betten aus und füll die Gräber“, legte Müller dem König in den Mund. In dem Video ist nun eine Wandtafel zu sehen, an die die Frau Zahlen von eins bis sechs wie in graue Asche schreibt. Friedrich verteilte an seine Soldaten Zensuren: Die aus der Schlacht zurück humpeln, kriechen oder getragen werden, bekommen eine 6, die Toten eine 1. Kopfschüttelnd windet sich die Frauenfigur wieder aus dem Fenster. Zuvor noch in den Gasherd schauend: wohl eine Metapher für Heiner Müllers Gedenken an seine Frau, die sich aus Verzweiflung mit Gas das Leben nahm.

Auch für die mehrteilige Arbeit von Ade Frey braucht es einen aufgeweckten Pfadfindergeist, um sich in die Spuren hineinzulesen. Auf den ersten Blick wirken ihre mit roten Flecken überzogenen Bilder wie frisch ausgebrochene Windpocken. Doch dann entdeckt man darunter die Andeutungen von Gebäudegrundrissen. Die Berliner Künstlerin hat Konstruktionszeichnungen vom Stadtschloss als Ausgangspunkt für ihre Arbeiten genommen. Aus schwarzen verwischten Spuren als Rückstände von Feuer und Rauch, das auf die Zerstörung des Schlosses im Krieg verweist, klaffen rote Wundmale aus der Tiefe heraus.

„Die Farben des Königs“, zu sehen bis 18. März, mittwochs bis freitags, 11 bis 17 Uhr, samstags und sonntags, 11 bis 18 Uhr, in der Produzentengalerie M in der Hermann-Elflein-Straße 18 (Luisenforum)

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