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Die Filzfiguren bespielen die alte baufällige Kirche nebenan. 

© Andreas Klaer

Zwei Ausstellungen in Golm: Kunst hilft Kirche

Golm hat zwei Kirchen, die derzeit beide Ausstellungen beherbergen. Eine beschäftigt sich mit dem Tod, die andere zeigt Bilder von Christian Heinze - beide dienen dem Erhalt.

Potsdam - Die Hochzeitsgesellschaft steht mit Regenschirmen in der Kirche. Das Dach ist undicht. Just in diesem feucht-festlichen Moment rollt Kronprinzessin Auguste Victoria nebst Gatten, Kronprinz Friedrich Wilhelm, mit der Kutsche an der kleinen Kirche vorbei. Victoria fasst sich ein Herz für ihre Untertanen und beschließt: Die Golmer bekommen eine neue Kirche. Diese Anekdote gehört mit zur Geschichte des Ortes und seiner zwei Kirchen und wird immer wieder gern erzählt. 

Auch Johannes Gräbner vom Kirchbauverein gibt sie zum Besten, während er durch die alte und neue Kirche führt. Er ist als pensionierter Bauleiter für die baulichen Maßnahmen zuständig. Seit ein paar Wochen richten sich die Blicke in der nicht mehr begehbaren alten Kirche, eines der ältesten Gebäude Potsdams, allerdings weniger auf das undichte Dach, die Risse und den bröckelnden Putz, sondern auf die Kunst.

Johannes Gräbner
Johannes Gräbner

© Heidi Jäger

Früh verstorbene Künstler als Filzpuppen

Simone Westphal und Menno Veldhuis sind mit ihrem „Post Mortem Felted Club“ eingezogen. Dieser „Postmortale Filzclub“ vereint früh verstorbene Künstler, die durch Filzpuppen nachgebildet worden sind. Immer wieder tauchen sie woanders in Potsdams Stadtbild auf: jetzt also in der alten Grabkirche aus dem 15. Jahrhundert inmitten des Dorffriedhofs. 17 Figuren drehen sich in einem Karussell zwischen Leben und Tod. Sie kommen aus ihren Gräbern, ziehen über den Gottesacker, kehren zu den Menschen zurück: Frida Kahlo ist darunter, Jackson Pollock. 

Menno Veldhuis hat nach einem Schlaganfall selbst die Nähe zum Tod gespürt und durch die Installation seine Ängste mitverarbeitet. Man kann diesen Zug der Wiederauferstandenen allerdings nur durch die Fenster betrachten. Denn Betreten verboten. Dennoch kommt durch die Kunst Bewegung ins Kirchenleben: nämlich durch die öffentliche Aufmerksamkeit.

Sanierung dringend notwendig

„Die Potsdamer Stadtverwaltung ist inzwischen beauftragt worden, zu prüfen, wie sie die denkmalgerechte Sanierung der Alten Dorfkirche in Golm unterstützen kann“, so Gräbner. Dringend erforderlich seien die Instandsetzung von Dach, Turm und Fassade. Rund 600 000 Euro sind dafür erforderlich. Der 60-köpfige Kirchbauverein schaut auf alle Formen der Unterstützung. Eben auch auf die Kunst. „Wir möchten die alte Kirche wieder schick machen und hoffen, dass wir sie ab 2022 als Begegnungsstätte nutzen können. Der Ortsbeirat könnte hier tagen, es könnte interkulturelle Veranstaltungen geben, Lesungen und Ausstellungen.“

Lange führte die grau verputzte einschiffige Kirche ein Schattendasein. Sie wird überstrahlt von der viel stattlicheren, viel höheren unverputzten roten Backsteinkirche nebenan. 

Christian Heinzes Tuschezeichnung der neuen Kirche Golms. 
Christian Heinzes Tuschezeichnung der neuen Kirche Golms. 

© Ottmar Winter

Ausstellung von Christian Heinze

Auch dort gibt es Kunst. Das ist bereits Tradition. Ab morgigem Pfingstsonntag zeigt der Potsdamer Maler und Grafiker Christian Heinze dort seine „Sommerausstellung“. Hoch über den Köpfen hängen am Gesims farbkräftige Bilder, die die Havellandschaft wie eine frische Brise ins rote Gemäuer hineinwehen lässt. Kraniche fliegen durch den meerblauen Himmel, Alleen ziehen hinein in die sonnige Tiefe, Boote hissen weiße Segel. 

Oberhalb des Eingangs ist ein Bild mit einem langen blauen Tisch zu sehen, an dem dichtgedrängt leere Stühle stehen. Ihre gelben Lehnen scheinen sich etwas zuzuflüstern. Eine Atmosphäre wie nach dem Abendmahl. Christian Heinze schuf für seine sommerfrische Schau ein weiteres neues Bild: „Die Kaiser-Friedrich-Kirche zu Golm, erbaut 1883 bis 86“. Von dieser Tuschezeichnung gibt es Plakate und Postkarten, die die Besucher kaufen und damit die Kirche unterstützen können.

„Das ist ihr Schicksal seit dem 15. Jahrhundert"

Denn auch diese neue Kirche hat längst Restaurierungsbedarf. Wie das Altarbild, das die „Hochzeit zu Kana“ zeigt und das man nach einem Kriegseinschuss grobschlächtig „flickte“. Es wurde anlässlich des 25. Hochzeitstages von Victoria und Friedrich Wilhelm hineingemalt. „Victoria hat sich intensiv in den Kirchneubau eingemischt. So gibt es keine für Dorfkirchen der Region typische Ost-West-Ausrichtung. Die neue Kirche wurde so gedreht, dass sie sich einpasst ins Ensemble mit der alten Friedhofskirche.“ 

Die Kronprinzessin habe sich auch dafür eingesetzt, dass die alte Kirche notdürftig repariert wurde. „Das ist ihr Schicksal seit dem 15. Jahrhundert. Immer wieder wurde sie nur notdürftig saniert.“ Warum man sie überhaupt stehen ließ, darüber existieren keine Belege. Doch sie ist nun mal da und könnte zu neuen Ehren kommen: wiederauferstehen wie die Filzpuppen postmortale.
>>Die Vernissage von Christian Heinzes Sommerausstellung ist am Pfingstsonntag um 9.30 Uhr im Gottesdienst. Sie ist bis 8. September immer sonntags von 15 bis 17 Uhr beim Kirchencafé zu sehen

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