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Kultur: Zusammenprall der Temperamente

„Schubladen einer Seele“ gibt Einblicke in das Innere von Jugendlichen

Das Licht geht an und man ist mittendrin. Mitten in der Wohnung, mitten in der Küche, einfach mittendrin im Leben. Die Möbel wirken zusammengewürfelt, wie sie nur in einer WG zusammenkommen können. Ein Sofa, das eher auf den Sperrmüll gehört. Die Küchenzeile, zwar ausgestattet mit einem Herd, der aber mit Sicherheit schon bessere Zeiten gesehen hat. In der Mitte ein massiver Holztisch, um den sechs alte und völlig unterschiedliche Stühle stehen. Auch die Jugendlichen, die auf ihnen sitzen, könnten kaum unterschiedlicher sein. Sanguiniker, Choleriker, Melancholiker und Phlegmatiker, sie alle treffen hier aufeinander, in der Küche, der Seele jeder WG.

Mit „Schubladen einer Seele“ feierte der Jugendclub des Hans Otto Theaters am Donnerstag in der Reithalle Premiere. Angelehnt an die Viersäftelehre der Antike, die Blut, schwarze Galle, gelbe Galle und Schleim jeweils den Temperamenten von Sanguiniker, Choleriker, Melancholiker und Phlegmatiker zuordnet. In „Schubladen einer Seele“ nun steht die Frage im Zentrum, was wohl wäre, wenn der Mensch mit einem vorgefertigten Baukasten seiner Seele auf die Welt kommen würde. Keine Änderungen, „kein Kauf und Verkauf der Teile beim Händler des Vertrauens“. Wie es wäre, wenn diese dann ungebremst aufeinanderprallen, wird in „Schubladen einer Seele“ auf berauschende Weise in Szene gesetzt. Da ist zunächst die Sanguinikerin (Kathrin Henschen), die mit ihrer kraftvollen Art mit Arbeitssuche zu kämpfen hat, weil sie nicht auf der Strecke bleiben will. Der Choleriker (Gabriel Klappenbach), der als Möchtegern-James-Bond, eine Paranoia vor den Freimaurern entwickelt. Der Melancholiker (Christoph Michalsky), der statt zu leben, lieber Geschichten schreibt. Und die Phlegmatikerin (Theresa Dietrich), die in ihren schwarzen Filzpantoffeln lieber durch die Welt in ihrem Inneren, als durch die Welt vor ihrer Haustür wandert.

Ganz nah dran am Geschehen, wird dem Zuschauer ein Einblick in das Seelenleben der Jugend gewährt. Dabei wird häufig mit Klischees und Überspitzungen gespielt. „Aber Klischees sind ja nicht unbedingt etwas Schlechtes, wichtig ist, wie man mit ihnen umgeht“, sagt Sina Schmidt, die gemeinsam mit Sophie Roeder die Leitung für das Stück innehat.

An den richtigen Stellen witzig, aber auch mal leicht bedrückend, bringen die jungen Schauspieler wunderbar das Seelenleben eines Heranwachsenden auf die Bühne. Die ausdrucksstarke Mimik macht das Sprechen an so mancher Stelle einfach überflüssig. Mit musikalischer Untermalung schicken sie den Zuschauer auf eine Reise in die Köpfe und das Seelenleben der unterschiedlichen Temperamente, wobei sich der ein oder andere vielleicht auch wiedererkennen mag.

Die Schauspieler werden selbst großen Erwartungshaltungen gerecht und überzeugen in ihren Rollen. Oder um es mit den Worten des Cholerikers Gero Koßmanns nach dem Stück zu sagen: „ Das war schon ziemlich geil!“ Chantal Willers

Chantal Willers

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