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Das Gemälde "Ludwig van Beethoven mit dem Manuskript der Missa solemnis", von Joseph Stieler war 2020 in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen. 

© picture alliance/dpa

Zoom-Konzert: Beethoven im Nikolaisaal Potsdam: „Welcher Kandidatin geben Sie die Stimme?“

Wer war Beethovens Unsterbliche Geliebte? Der Nikolaisaal Potsdam sucht die Antwort in einem neuen Digital-Format mit Elementen aus Quiz und Casting-Show.

Potsdam - Über die Frage, wer die „Unsterbliche Geliebte“ war, an die Beethoven seinen berühmten, herzzerreißenden Brief gerichtet hat, haben sich schon große Gelehrte die Köpfe zerbrochen - wenn nicht sogar gegenseitig eingeschlagen. 

Im Potsdamer Nikolaisaal ging am Freitagabend die Frage per Chat im Zoom-Live-Konzert an das Publikum. Ein neues Format wurde erprobt mit Elementen aus Quiz und Casting-Show. „Welcher Kandidatin geben Sie die Stimme?“, hieß die finale Frage. Hinweise und Indizien aus Beethovens bewegter Biografie lieferten der Musikwissenschaftler Arno Lücker und Albrecht Selge, Autor eines der originellsten Bücher im Beethoven-Jahr 2020. 

Kandidatin Nummer eins: Antonie Brentano

Die Pianistin Schaghajegh Nosrati und der Bariton Christian Wagner setzten wohlklingende Anhaltspunkte mit den sechs Liedern an die „Ferne Geliebte“ op. 98, dem langsamen Satz aus Beethovens 7. Sinfonie in der Klavierfassung von Franz Liszt sowie den Liedvariationen über „Ich denke dein“ für Klavier zu vier Händen (mit Arno Lücker im Bass) und dem Lied „Neue Liebe, neues Leben“. 

Kandidatin Nummer eins, Antonie Brentano, war Widmungsträgerin vieler Kompositionen Beethovens, darunter eines Erstdrucks der 7. Sinfonie. Ihr wohlhabender Gatte unterstützte Beethoven vielfach. Als Überraschungskandidatin präsentierte Arno Lücker Marie von Erdödy, eine der ersten Verehrerinnen Beethovens, mit dem sie sogar eine Zeit lang die Wohnung teilte. 

Die Empfängerin glühender Briefe: Josephine Brunswick

Zuletzt erschien Josephine Brunswick, langjährige Klavierschülerin Beethovens und hochgeschätzte Interpretin seiner Werke in Wien. Sie empfing eine ganze Reihe glühender Briefen von ihm. Heute gilt Josephine Brunswick den meisten Forschern als Adressatin von Beethovens tragischstem Liebesbrief, der kurz nach einem höchstwahrscheinlichen Treffen in Prag im Jahr 1812 geschrieben worden ist. 

Kurioserweise weilte Antonie Brentano zur gleichen Zeit in Prag und sowohl sie als auch Josephine brachten acht beziehungsweise neun Monate darauf ein Kind zur Welt. An dieser Stelle endete die Präsentation mit den Worten von Albrecht Selge: „Es hat doch etwas Schönes, dass wir nicht genau wissen, was passiert ist.“ 

Geschichten, die der Abend nicht erzählt

Die Zuschauer votierten mit neun Stimmen für Josephine, fünf für Antonie und eine gab es für Marie. Möglicherweise hätte Josephine noch mehr Stimmen erhalten, wenn die Geschichte ihrer unehelichen Tochter namens Minona (=Anonym) erzählt worden wäre, die musikalisch sehr begabt war und sogar komponierte. Leider fiel auch das Josephine überreichte liebliche Andante favori F-Dur dem Zeitmanagement zum Opfer, wie überhaupt die innermusikalischen Bezüge, etwa bei den Liedern „An die ferne Geliebte“ kaum thematisiert wurden.

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Die Grenzen des Talkshowformats 

Einmal mehr zeigten sich hier Grenzen und Gesetze des unterhaltsamen Talkshowformats. Statt Versenkung in die Musik dominiert die bildhafte Oberfläche. Da fällt eben die tolle Haartolle von Christian Wagner mehr auf als sein weich abgerundeter Gesang. 

Begeisterte Reaktionen der Zuhörer nicht nur aus Potsdam sondern auch aus Usedom, Hannover, Göttingen, München bis nach England im Chat beweisen aber, wie gut „Jetzt mit euch!“, die neue digitale Reihe des Nikolaisaals ankommt. Da steckt bestimmt noch Zukunftspotential weit über den regionalen Rahmen hinaus drin.

Die Veranstaltung kann bei im Youtubekanal des Nikolaisaals kostenfrei nachträglich angesehen werden.

Babette Kaiserkern

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