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Kultur: Zombies in Babelsberg

Das elfte „Psychomania Rumble“ im Lindenpark

Auf Außenstehende müssen sie wirken, als seien sie direkt einem drittklassigen Horrorfilm der 80er-Jahre entsprungen: Die kokettierende Nähe zu Zombies und Untoten ist einfach unübersehbar. Was wie die wilde Szenerie einer Mottoparty anmutet, ist jedoch eine musikalische Subkultur, die ihre Wurzeln in der Verschmelzung von Rock’n’Roll und Punk hat, irgendwann in den 1980ern. Und mit einem griffigen Namen: „Psychobilly“ nennt sich das, eben die psychotische Variante des Rockabilly. Am Pfingstwochenende findet mit dem „Psychomania Rumble“ im Lindenpark ein ganzes Festival damit statt. Die Potsdamer sind es gewöhnt: Es geht immerhin dieses Jahr in die elfte Runde.

Den Ursprung hatte die ganze Psychobilly-Bewegung, als in England die Rockabilly-Bewegung, die eine Dekade davor entstand und wohl als ein Revival der Rock’n’Roll-Bewegung der 1950er interpretiert werden kann, mit der des noch recht jungen Punk zusammenprallte – der „Krebs des Rock’n’Roll“, so der Titel einer Doku über Psychobilly von Mike Decay aus dem Jahr 2004.

Psychobilly verpasste der Salonfähigkeit der Rockabillys zunächst ein paar Kratzer, jedoch ohne die lästige No-Future-Attitüde des Punk. Schnittstellen gab es einige, aber entgegen der Konturlosigkeit des Punk gab es zumindest einen festen Dresscode: Der bediente sich munter bei den anderen Subkulturen und überzeichnete sie zur Karikatur – in Referenz an die zahlreichen B-Movies, in denen es vor Monstern und Psychopathen nur so wimmelte. Zum einen eine hübsch rebellische, identitätsstiftende Abgrenzung, zum anderen aber auch ein spannendes musikalisches Feld – wobei die mantraartige Beschwörung des Unpolitischen immer wieder zu Einnahmeversuchen sowohl des rechten als auch des linken Lagers geführt hat. Durchgesetzt hat sich keines.

Der Begriff Psychobilly selbst wird übrigens Johnny Cash zugeschrieben: Der singt in „One Piece at a Time“ über einen Arbeiter, der in Detroit am Fließband steht, sich so einen Cadillac aber nicht leisten kann – und beschließt, ihn in Einzelteilen nach Hause zu schmuggeln. Da aber dann kein Teil mehr passen will, baut er eben einen zusammengeflickten „Psychobilly Cadillac“. Vielleicht liegt hier die Schnittstelle zur Frankenstein- Symbolik.

Dabei tut die Psychobilly-Szene, die von England aufs Festland schwappte und mit reichlicher Verspätung auch irgendwann in den USA ankam, alles dafür, sämtliche Abschreckungsklischees zu bedienen: mit „Flattop“ genannter Tolle, Tattoos, Kutten und mit rüder Herzlichkeit, die eine Kneipenschlägerei zum Partyhöhepunkt deklarieren würde. Als heiliger Schrein fungiert dabei der Kontrabass: Das Instrument dient als musikalisches Alleinstellungsmerkmal und hat längst eine eigene Designindustrie in Gang gesetzt.

Wer sich in diesem betont prolligen Umfeld wohlfühlt und auch einem drittklassigen Horrorfilm etwas abgewinnen kann, der sollte sich das Spektakel im Lindenpark nicht entgehen lassen: Bands mit Namen wie The Coffinshakers, Bloodsucking Zombies From Outer Space, The Spastiks und The Monstrosities sollte man zumindest einmal im Leben gesehen haben. Oliver Dietrich

„Psychomania Rumble“ morgen und am Sonntag im Lindenpark, Stahnsdorfer Straße 76. Beginn ist jeweils um 18 Uhr. Das Tagesticket gibt es ab 30 Euro

Oliver Dietrich

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