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Kultur: Zimmer frei für Happyend

Yasmina Ouakidi mit Jugendtheater im T-Werk

Glücklicherweise lebt man noch nicht in einer Zeit, wo man als das geboren wird, was andere von einem erwarten. Zwischen „Persönlichkeitsprofil“ und öffentlicher Anforderung bleibt derzeit noch etwas Luft. Die Freundinnen Sara (Susi Laser) und Eva (Sally Sohera Schmidt) sollten also froh sein, wenn sie sich an ihrem scheinbar verkorksten Leben in einer Jugend-WG abarbeiten können: Sara ward soeben die Liebe ihres Freundes gekündigt, sie rächt sich dafür an Nils (Oli Mohr) mit einem klassischen Rausschmiss. Susi verliert als Bewerberin an einer Schauspielschule Runde um Runde.

Die beiden Mädchen stehen vor dem Problem, ihre WG wieder aufzufüllen und dabei mit sich und ihren unerfüllten Wünschen klarzukommen. Kurz nach der recht dynamischen Inszenierung „Planlos“ legt die talentierte Autorin und Regisseurin Yasmina Ouakidi nun im T-Werk eine weitere Arbeit vor. Als „Eigenproduktion zum Thema Selbstvermarktung“ bietet das einstündige Stück den acht Darstellern der Jugendtheatergruppe „H.Light“ eine ideale Plattform, ihre ersten Erfahrungen mit der allgegenwärtigen Ablehnung „Danke, wir melden uns“ öffentlich zu machen. Diesen Satz bekommt die dunkelhäutige Susi immer wieder von der Schauspielkommission zu hören.Später, als man den richtigen Nachfolger für Nils sucht, wird sie den Satz selbst ohne Erschrecken gebrauchen.

Die Off-Bühne kommt mit einem kleinen Prospekt sowie einer dreiteiligen Treppenkonstruktion aus, was den Raum günstig gliedert und dankbare Gänge ermöglicht. Die Regie versteht es auch hier, mit einer gelungenen Sprachbehandlung soziale Akzente zu setzen: Sowohl die gruselige Bewerbungskommission als auch später die drei Casting-Vasallen einer privaten TV-Anstalt können nicht anders als im Chor unisono zu reden. Sie werden von Judith Freiseis, Alice Haseloff, Emma Charlott Ulrich und Anika Goligowski erstklassig verkörpert. Mag es nun Sara um ihr Lieblingsthema „neuer Freund“, Eva um die „Schauspielerin“ gehen, was die seltsame Wunschfee Larissa (Jana Schütze) irgendwie forciert – die Inszenierung legt trotz ihres raschen Spieltempos größten Wert auf den ostentativen Unterschied zwischen angeborener Natürlichkeit und erzwungener „Selbstvermarktung“, wie ihn die WG-Bewerberinnen so herrlich zelebrieren.

Man entdeckt aber auch die tiefe Freundschaft zwischen den beiden Mädchen, trotz oder wegen all ihrer Keiferei. Da zuletzt auch Nils wieder dazustößt, ist im Fast-Happyend bald kein Zimmer mehr frei. Ein Kompliment dem Ensemble für diese schöne Leistung. Der meist theatergerechte Zugang zur Szene, Zeitkritik, so weit es ein Jugendtheater zu leisten versteht, machen auch diese Inszenierung von Yasmina Ouakidi zu einer Empfehlung. Der Schluss nun bietet eine Wende ohne Wende. Nachdem Eva X-mal gehört hat, wie talentlos und hässlich sie sei, wird sie gerade deshalb von dem privaten TV-Sender zum Casting geladen, auch „Looser“ sollen ja Quote bringen. Nun darf auch sie einmal sagen: „Danke, wir melden uns“. Gerold Paul

Nächste Vorstellungen heute 11 und 14 Uhr im T-Werk.

Gerold Paul

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