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Kultur: Zeitreise

Das Tanz-Quartett Folies de danse belebt das Rokoko

Die Reise in die Vergangenheit dauert etwa eine Stunde und beginnt mit der Kostümierung. Mit jedem Zentimeter, den die Korsage des ab der Hüfte ausgestellten Kleides enger geschnürt wird, mit jeder Schicht des hellen, pudrigen Make-ups, entfernt sich Anja Hofmann mehr und mehr aus der Gegenwart. Am Ende, wenn Kleid und Perücke sitzen und auch der Schmuck angelegt ist, ist das Ziel erreicht: Die Tänzerin ist im 18. Jahrhundert angelangt.

„Es gibt nichts Nützlicheres in einem Staat als die Musik, es gibt nichts Notwendigeres für die Menschen als den Tanz“: Diese Worte stammen vom französichen Komödiendichter Molière, und ein bisschen hat sich Anja Hofmann diese Aussage zum Lebensmotto gemacht. Seit neun Jahren ist sie Mitglied der Potsdamer Tanzgruppe Folies de danse, einem Quartett, das sich dem höfischen Tanz des Barock und Rokoko verschrieben hat. „Wir wollen mit unseren Darbietungen Geschichte erlebbar machen“, sagt Anja Hofmann. Historie als sinnliche Erfahrung zu barocker Tanzmusik.

Dass sich Anja Hofmann in ihrer Freizeit den höfischen Tänzen zuwendet, verwundert nicht: Als ehemalige Mitarbeiterin der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hat sie sich ohnehin für Geschichte und Kultur interessiert. „Daraus ist dann die Idee entstanden, Interessierten die Vergangenheit in historischen Kostümen näher zu bringen.“ Was zunächst als besondere Führung durch die Schlösser und Gärten von Sanssouci begann, entwickelte sich mit der Zeit immer mehr zu einer tänzerischen Darbietung. Großen Anteil an dieser Entwicklung hat Inka Unverzagt. Die Choreografin und Ballettmeisterin wurde durch eine Zeitungsannonce auf die Gruppe aufmerksam und bot sich den vier Amateurtänzern als Trainerin an. Seither treffen sich Diana Zill, Lillian Tober, Anja Hofmann und Niki Möbis einmal wöchentlich zur Probe im Treffpunkt Freizeit.

Inka Unverzagt, die Grande Dame des Balletts, kam 1954 nach Potsdam, arbeitete am Hans-Otto-Theater und bei der DEFA und brachte seither kompletten Jahrgängen kleiner Mädchen das Passé oder Pas de Deux bei. Sie war es auch, die den vier Tanzneulingen zur erforderlichen Grazie und Anmut verhalf. Elf Tänze hat sich die Gruppe dank ihrer Hilfe mittlerweile erarbeitet.

Doch wie nähert man sich in der heutigen Zeit der doch eher gekünstelt anmutenden Form des Hoftanzes an? „Viel wird allein schon durch das Kostüm vermittelt. Dadurch nimmt man automatisch eine ganz andere Haltung an“, sagt Anja Hofmann. Und so befinden sich im Fundus der Gruppe verschiedenste Gewänder: Hosenanzüge aus schwerem Samt ebenso kostbar bestickte Krinolinenkleider, venezianische Masken, mit Goldfäden durchwobene Umhänge. Keine Frage: Es ist ein sehr kostspieliges Hobby, für das sich die Gelegenheitstänzer entschieden haben.

Inzwischen hat sich Folies de danse mit zahlreichen Auftritten in Potsdam und Umgebung einen Namen gemacht. Gebucht werden sie für die Schlössernacht, die Lange Nacht der Museen oder zu besonderen Anlässen in Rheinsberg – „immer in das entsprechende historische Ambiente“, so Anja Hofmann. Diesen Rahmen bietet auch der Park des Schriftstellers Hermann Sudermann (1857-1928) in Blankensee bei Trebbin. Dort wird das Quartett am Sonntag auftreten, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Im Garten vorgelesen“. Organisiert wird sie von der Urania, die mit diesem Abend einer vorgetragenen italienischen Novelle von Franz von Gaudy eine besondere Bühne in dem von Lenné gestalteten Anwesen bietet.

Im Rollenspiel bestehe für sie die Faszination am barocken Tanz, sagt Anja Hofmann. „Dadurch lernt man immer mehr über die damalige Zeit.“ Der Weg zurück in die Gegenwart gestaltet sich jedoch leichter als der in die Vergangenheit: Schnell lassen sich Kostüm, Schmuck und Perücke wieder abgelegen – „und dann ist man sofort wieder in der Jetztzeit“. Nana Heymann

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