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Unerwartete Wechselspiele. Als es plötzlich Antonia ist, die ihrem untreuen Gatten von einem Liebhaber vorschwärmt, fehlen dem Betrüger die Worte.

© Theaterschiff

Kultur: Zauberhafte Rosenkriege

„Offene Zweierbeziehung“ feierte Premiere auf dem Theaterschiff

Welch ein Theater! Wohl selten hat man eine so wohltuend ungewöhnliche, lebendige und brillant gespielte Stückpremiere erlebt wie am Freitagabend auf dem Theaterschiff. Ohne die Kurzweil und das komödiantische Potenzial von Rosenkriegen auch nur im Geringsten zu vernachlässigen, hat Martina König die von dem italienischen Literaturnobelpreisträger Dario Fo und seiner Frau Franca Rame geschriebene Tragikomödie „Offene Zweierbeziehung“, die seit ihrer Uraufführung im Jahre 1983 weltweit zum Bühnenklassiker wurde, auf wunderbare Weise neu inszeniert. Und dabei um eine emotional ernsthaftere Komponente erweitert.

Entstanden ist ein Zweipersonenstück als reizender Event. Schon draußen vor dem Schiff nimmt er seinen Anfang, als sich Antonia und ihr Mann Dario plötzlich laut streitend aus den Grüppchen lösen, die am Havelufer plaudernd und Glühwein trinkend im Rauch der Feuerkörbe beieinander stehen. Es sind die üblichen Muster kaputter Paarbeziehungen, eine Zankroutine und die stets unfreiwillig komischen Szenen eines Eifersuchtsdramas, denen man beiwohnt und an Bord folgt. Unter Deck werden Köstlichkeiten gereicht, es ist mollig warm und duftet weihnachtlich. Und als die mit einer unglaublichen Präsenz gesegnete Isabelle Liere dort fahrig und mit zerlaufener Schminke auf dem Tresen sitzt und beherzt, mit voller Stimme ihre kleine Liederrevue singt und Mario Neubert in fabelhaft machohaften, wilden Posen seine Hüften dazu kreisen lässt, treffen sich Tragödie und Clownerie perfekt.

Das Publikum hat sein Vergnügen und fühlt gleichsam mit. Denn man erlebt nicht nur, wie da ein Mann bis zur haarsträubenden Lächerlichkeit seine Seitensprünge verteidigt und seine Frau von der Idee und den Vorteilen einer offenen Zweierbeziehung überzeugen will, sondern auch, wie sehr sie selbst darunter leidet. Außerstande ihr Abhängigkeitsverhältnis aufzulösen, erträgt Antonia die Demütigungen und steigert sich in ihr Leiden hinein. Im zum Laufsteg umfunktionierten Theatersaal, worin sich der Hauptakt abspielt, liegt sie zusammengekrümmt im knallroten Kleid am Boden, schreitet sie durch das Spalier der Zuschauer, auf den Lippen die wunderschöne Rio-Reiser-Ballade „Halt dich an deiner Liebe fest“.

Blendend hingegen geht es Dario. Aufgeräumt und heiter, brüllend vor Gutlaunigkeit kehrt er von seinen Abenteuern wieder, stolziert im feinen Zwirn auf und ab. Es ist ein Genuss, Mario Neubert in seiner Rolle zu erleben. Herrlich gelingt ihm das faxenhaft Überzeichnete, jede Bewegung, jeder Blick ist sprühende Komödie. Erst als plötzlich Antonia von einem Liebhaber angerufen wird und sie ihm dann von diesem scheinbaren Alleskönner und Supermann heftig vorschwärmt, fehlen dem Fremdgeher die Witze und Worte. Ein turbulentes Finale! Nun entlädt sich die Ironie, als Dario das aufgeschlossene Verhalten, das er von Antonia verlangt, selber nicht zeigen kann, sondern hilflos und unter albernen Eskapaden seine Eifersucht zu überspielen versucht.

Der rasante und lautstarke Showdown wird ringsum von Gelächter begleitet und anschließend mit großem Applaus gekrönt. Dass diese Inszenierung, trotz menschlich authentischer Note, keinen Augenblick lang die Balance verliert und abkippt, zeichnet sie besonders aus. Spaß macht das Tempo, die aufgebrochene Bühnensituation, die Schlagabtausche der großartigen beiden Protagonisten. Fast ein bisschen überrascht wird man da vom jähen Schluss.

Daniel Flügel

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