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Kultur: Zauberei auf dem Dachboden 12. Kinderkulturtage

im T-Werk eröffnet

Jede Mutter, jeder Vater kennt das. Ihr Kind sitzt gedankenversunken in einer Ecke und spielt. Mit Knöpfen und Kastanien, Büroklammern und Bierdeckeln, Taschentüchern und Überraschungseier-Figuren. Es sollte dabei nicht gestört werden. Denn: Irgendwann kommt es und erzählt mit hochroten Wangen eine phantasievolle Geschichte. Von verrückten Abenteuern, wilden Tieren und kaum zu lösenden Aufgaben.

Meist geht alles gut aus. Wie auch am Sonntagnachmittag bei der Eröffnung der 12. Internationalen Kinderkulturtage „WeltTraum“ im T-Werk. Zum ersten Mal zu Gast in Potsdam war das bekannte TAMTAM Objekttheater aus Olst in den Niederlanden mit „Kleiner Bär – Großer Held“. Die Schauspielerin Marije van der Sande hat sich gemeinsam mit dem Schriftsteller Wim Hofman so eine typische Kindergeschichte erdacht. Bei ihnen spielt sie auf einem Dachboden und anstelle eines Kindes, das in der Spielecke sitzt, steht sie selbst auf der Bühne und nimmt die kleinen und großen Zuschauer mit auf eine bezaubernde Phantasiereise.

Hauptakteure sind ein kleiner Bär und die Puppe Julia, die neben anderem vergessenem Spielzeug und einigem ausgesondertem Hausrat den Boden, auf dem die Wäsche getrocknet wird, bevölkern. Und die, kaum, dass die Frau, die eigentlich bügeln oder aufhängen wollte, sie in die Hand nimmt, ein Eigenleben entwickeln. Nach und nach finden sich ein Brautkleid und ein Schleier, ein Zylinder und eine Schreibfeder, eine rote Kaffeekanne und zwei Schuhspanner und dieses verrückte Regenschirmgerippe. Was soll das denn für eine Geschichte werden? Marije van der Sande macht nicht viele Worte. Und die Dinge finden sich beinahe wie von selbst. Gleich geht es weiter, nämlich damit, wo der Blick als nächstes hinfällt. Der kleine Bär, der die entführte Puppe Julia sucht, war gerade noch in der weiten Welt unterwegs. Dann entdeckt er die Wäscheleine, die ihn zu einer wilden artistischen Darbietung einlädt. Oder das alte elektrische Bügeleisen, das mit lautem Brummen zum Flugzeug wird. Gleich darauf abstürzt, aber weich im Wäschekorb landet. Nichts passiert. Diesmal nicht. Aber irgendwann gibt es den großen Crash und zwei weiße Damenpumps, die sich als Krankenschwestern rührend um den kleinen Helden kümmern.

Spätestens an dieser Stelle sind auch die Erwachsenen von dem übersprudelnden Einfallsreichtum der Schauspielerin gefangen. Die Kinder natürlich schon lange und sie lachen wissend und verschwörerisch zugleich, wenn sich der kleine Bär mal wieder ehrlich bemüht, irgendwo hochzukommen und dann, begleitet mit den entsprechenden Geräuschen, sein Ziel verfehlt. Neben dieser kindlichen Lautmalerei gibt es noch eine wunderbare musikalische Inszenierung von Gérard Schiphorst, die die Geschichte mal atmosphärisch verdichtet oder dramatisch zuspitzt. Man kann deutlich spüren, wie sich der kleine Bär fühlt.

Nach einer guten Dreiviertelstunde ist der poetische Dachbodenzauber vorbei und einige der kleinen Zuschauer wollen sofort auf die Bühne. Ob sie sich mit Marije van der Sande über die erlebten Abenteuer austauschen? Denn bevor die Vorstellung losging, wurde von ihnen verlangt, den Mund zu halten und nicht alles zu kommentieren, was sie sehen würden. Denn jeder spinnt doch schließlich eine andere Geschichte oder?

Stürmischer Beifall war der verdiente Lohn für die kleine niederländische Theatertruppe unter der Regie von Wim Meuwissen. Und die wundervolle Reise ein gelungener Auftakt für das 14-tägige Festival, das von Bildungsminister Holger Rupprecht eröffnet wurde und zu weiteren Aufführungen von Theatermachern aus vier Kontinenten einlädt.

Heute um 10 Uhr „Vom Fressen und Gefressen werden“, Schauspiel mit Musik nach einem italienischen Märchen, für Kinder ab 4 Jahren.

Astrid Priebs-Tröger

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