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Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase im Gespräch mit Ralf Schenk im Filmmuseum Potsdam.

© Manfred Thomas

Wolfgang Kohlhaase im Filmmuseum Potsdam: Der Beste

Der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase ist Anfang des Jahres 90 geworden. Beim Filmgespräch im Filmmuseum blickte er zurück auf 70 Jahre Schreiben für das Kino.

Potsdam - Ein wenig Zeit ist seit dem Geburtstag von Wolfgang Kohlhaase schon vergangen: Im März feierte der Drehbuchautor seinen 90. Geburtstag. Das Potsdamer Filmmuseum hat ihm nun eine verspätete Geburtstagsfeier gewidmet, eingebettet in eine ganze Veranstaltungsreihe für den Jubilar. 

Am Dienstagabend war er auch selbst vor Ort. Gekrönt wurde der Abend mit der Filmvorstellung von „In Zeiten des abnehmenden Lichts“, ihm zur Seite und als Gratulanten einer der Hauptdarsteller, Sylvester Groth, und Regisseur Matti Geschonneck.

Gratulanten. Volker Schlöndorff, Eugen Ruge, Matti Geschonneck, Wolfgang Kohlhaase, Sylvester Groth, Andreas Dresen (v.l.).
Gratulanten. Volker Schlöndorff, Eugen Ruge, Matti Geschonneck, Wolfgang Kohlhaase, Sylvester Groth, Andreas Dresen (v.l.).

© Manfred Thomas

Der beste deutschsprachige Drehbuchautor

„Mich und Wolfgang verbindet eine langjährige gute Bekanntschaft“, eröffnet Groth die Gratulation, immerhin war er ja schon 2009 bei „Whisky mit Wodka“ dabei. Regie führte damals neben dem Autor Kohlhaase Andreas Dresen Regie – der am Dienstag natürlich auch vor Ort war. 

„Du bist für mich der beste deutschsprachige Drehbuchautor“, ließ Groth sich nicht lange nach Komplimenten bitten. Überhaupt konnte man sich immer auf das verlassen, was Kohlhaase schrieb, so Groth: Er habe es mit Improvisationen versucht, es sei aber zwecklos gewesen. „Ich bin wahnsinnig stolz, da spielen zu dürfen.“

Persönliche Worte von Sylvester Groth, der Wolfgang Kohlhaase seit "Whisky mit Wodka" (2009) kennt. 
Persönliche Worte von Sylvester Groth, der Wolfgang Kohlhaase seit "Whisky mit Wodka" (2009) kennt. 

© Manfred Thomas

Matti Geschonneck singt ein russisches Lied

Regisseur Geschonneck spart sich die Worte. „Ich wollte eine Rede halten, habe es mir aber kurzfristig anders überlegt“, sagt er – und singt. Auf Russisch. Welche russische Weise das war, blieb zwar offen, nur so viel: „Mit diesem Lied verbinde ich sehr viele Erinnerungen – und ich weiß, dass es für Wolfgang eine tiefe Bedeutung hat.“

Das Lied sei aus dem Film „Mama, ich lebe“, Regisseur Konrad Wolf habe es sehr geliebt, erzählt Kohlhaase kurz darauf im Gespräch mit Filmhistoriker Ralf Schenk, der Kohlhaase nur Stichwörter zu geben brauchte. „Er sang nicht gut, aber gerne“ – und irgendwann sei eben dieses Lied an der Reihe gewesen. Wolf trat mit 17 in die Rote Armee ein, nahm Berlin mit ein und soll zeitlebens geschwankt haben, ob er Russe oder Deutscher war. 

Regisseur Matti Geschonneck, Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Eugen Ruge, Autor von "In Zeiten des abnehmenden Lichts". 
Regisseur Matti Geschonneck, Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Eugen Ruge, Autor von "In Zeiten des abnehmenden Lichts". 

© Manfred Thomas

Als der Irrsinn des Krieges Normalität war

Und auch Kohlhaase gehört noch zur Kriegsgeneration, er erinnere sich noch gut, wie „der Irrsinn des Krieges wie Normalität erschien“, wie er als Kind Flak-Splitter gesammelt habe oder an den Fliegeralarm bei der Filmvorführung. „Uns wurde gesagt, wenn der Krieg verloren ist, gehe die Welt unter, oder zumindest Deutschland“, erinnert er sich. Aber im Frühjahr 45 sei ihm klar geworden, dass das nicht stimmte.  

Erzählen kann Kohlhaase, nicht nur in Drehbüchern, so viel ist klar. Leicht versonnen sitzt er auf der Bühne, wählt sorgsam jedes Wort, das er in seine Anekdoten webt. Erzählt von seinem Mitschüler etwa, der damals schräg hinter ihm saß und plötzlich einen Kriminalroman schrieb: „Das hat mich umgehauen, dass man die nicht nur lesen konnte!“ 

Wolfgang Kohlhaase zum 90. Geburtstag: Regisseur Andreas Dresen und die Choreografin Emöke Pöstenyi im Filmmuseum.
Wolfgang Kohlhaase zum 90. Geburtstag: Regisseur Andreas Dresen und die Choreografin Emöke Pöstenyi im Filmmuseum.

© Manfred Thomas

Vom Krimi-Autor zu „Solo Sunny“

Also sei er nach Hause gegangen und habe selbst einen Kriminalroman geschrieben, viele Tote, wenig Handlung. Doch der Weg war eingeschlagen: Essays und Erzählungen schickte er fortan an Zeitungen, er wusste um das Bedürfnis nach Anfang: „Es war so eine Zeit, wenn du an die Tür klopftest, machte jemand auf.“ Kurz darauf das Volontariat bei der Jugendzeitschrift „Start“, später wurde er Dramaturgie-Assistent bei der DEFA in Babelsberg.  

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Es folgte die Zeit mit Regisseur Gerhard Klein, „ein Leinwandverrückter“, aber einer mit Gefühl für die richtige Szene. Später dann, nach Kleins frühem Tod, die Zusammenarbeit mit Konrad Wolf, in der unter anderem „Solo Sunny“ entstand. „Film ist gesellig“, resümiert Kohlhaase. „Man muss Lust am Film haben, nicht Furcht davor.“

Persiflage auf die untergehende DDR

Den Rückblick hat er dann auch in den Film gebracht, der im Anschluss gezeigt wurde. Der ist noch ganz frisch, von 2017, Kohlhaase adaptierte den Roman von Eugen Ruge, „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ brachte Hauptdarsteller Bruno Ganz den Deutschen Filmpreis ein. 

Ganz spielte den SED-Funktionär Wilhelm Powileit, der zu seinem 90. Geburtstag im Ostberlin des Herbstes 1989 Familie und Getreue um sich schart, unwissend, dass sein Enkelsohn an jenem Tag aus der Republik geflüchtet ist – währenddessen Vater Kurt (Sylvester Groth) ihn verbissen verleugnet, indem er behauptet, er komme schon gleich. 

Die Verfilmung des Romans fixiert sich ganz auf die Feier, zu der die Eskalation an jeder Ecke lauert. Kohlhaase und Geschonneck persiflieren die untergehende Gesellschaft, ohne sich über sie lustig zu machen: Die Kamera klebt an den Protagonisten, dazu das detailverliebte Faksimile Ostberlins - und diese unglaublich pointierten Dialoge. 

Oliver Dietrich

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