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Wolf Wondratschek, hier im April 1997. 

© Stefan Hesse/dpa

Wolf Wondratschek liest in Potsdam: Sätze, die für immer bleiben

Wolf Wondratschek ist einer der meistgelesenen deutschsprachigen Lyriker der Gegenwart. Mit „Selbstbild mit russischem Klavier“ hat er einen poetischen Roman geschrieben, den er im Potsdamer Waschhaus vorstellt.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Literarisch durchkomponierte Sätze können durchaus nerven. Vor allem dann, wenn sie sich wie schlechte Sprichtwörter einer an den anderen reihen und beim Lesen schon schmerzen. Gut platziert hingegen dringen sie manchmal nahezu unbemerkt in das Unterbewusstsein ein – und bleiben für immer. Wolf Wondratschek schreibt solche Sätze. Nicht nur in seinen zahlreichen (Prosa)Gedichten, sondern auch in seinem aktuellen Werk „Selbstbild mit russischem Klavier“, das er am morgigen Freitag im Waschhaus vorstellt.

Der Text um zwei ältere Herren, die sich in einem Wiener Café unterhalten, ist voll mit Sätzen, an die man sich Zettel kleben und sie manchmal auch einrahmen möchte. Sie sind allerdings auch nötig, um dem Gesamttext ein Gerüst zu geben, der sich sehr oft in undurchsichtigen Perspektivenwechseln und philosophischen Betrachtungen verliert.

Gespräch über Leben, Liebe und Musik

„Mein Herz liebt meine Dummheiten.“, ist einer dieser Sätze, gleich zu Beginn des Romans. Einer der Herren, ein Schriftsteller, hat sich im Café mit dem russischen Pianisten Suvorin verabredet. Dem wird aufgrund seines Gesundheitszustandes einiges von den Ärzten untersagt – unter anderem das Trinken von Kaffee. Suvorin bestellt sich trotzem einen, schließlich schlage sein Herz noch immer im gewohnten Takt.

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Davon ausgehend lässt Wondratschek – er selbst ist inzwischen 75 Jahre alt – seine beiden Protagonisten über ihr Leben erzählen. Vor allem Suvorin legt seine Biografie dar, erzählt von seiner verstorbenen Frau, von Sehnsuchtsorten, von seiner Spielblockade. In diese Erinnerungen webt Wondratschek Ansichten über Literatur, Musik, das Leben. Er schreibt all das in einer klaren Sprache mit unverschnörkelten Sätzen. Ein wirklicher Plot entwickelt sich dabei nicht, was vielleicht auch nicht nötig ist. Ermöglicht es doch beim Lesen ein gewisses Schweben von Wort zu Wort, von Satz zu Satz. Ein Mitreiten auf einer Sprachwelle, das aber auch dazu führt, dass manches Erzählte schnell wieder aus dem Gedächtnis verschwindet.

Was bleibt, ist eine Art poetischer Nachhall, mehr eine Stimmung als ein konkreter Inhalt. Mehr möchte dieses Buch wahrscheinlich auch nicht. Passend dazu eine Passage gegen Ende des Buches: „Wer einen Brief schreibt, sagte ich, wartet auf Antwort. Musik nicht. Sie wartet nicht – und erwartet nichts. Beethoven erwartete für das, was er komponierte, zuletzt nicht einmal mehr Zustimmung.“ Wieder Sätze für den Rahmen. Am Ende überwiegt ein wohliges Gefühl, Großartiges gelesen zu haben. 

>>Wolf Wondratschek liest am Freitag, 1. Februar um 20 Uhr im Waschhaus. Karten kosten 15 Euro an der Abendkasse.

— Wolf Wondratschek: „Selbstbild mit russischem Klavier“. Ullstein, Hardcover 2018, 272 Seiten.

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