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Kultur: „Wir sind in dieser Landschaft heimisch“

Christa und Peter Panzner über Spaziergänge mit Staffelei und Kinderwagen durch Sanssouci und die Weite Namibias

In der Ausstellung „Stadt-Bild/Kunst-Raum“ zeigt das Potsdam Museum anlässlich des 25. Jahrestages des Mauerfalls erstmalig Werke aus der hauseigenen Sammlung mit Kunst aus der Zeit der DDR, darunter auch zahlreiche Arbeiten von Potsdamer Künstlern zum Thema Stadt. Die PNN befragen einige dieser Potsdamer Künstlerinnen und Künstler zu ihren Werken, ihrem Verhältnis zu dieser Stadt und ihrem Dasein als Künstler in der DDR. Nach Barbara Raetsch, Peter Rohn und Wolfgang Liebert kommen nun Christa und Peter Panzner zu Wort.

Frau Panzner, Potsdam, was war das für Sie als Malerin in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren für ein Ort?

Christa Panzner: Vor allem ein Arbeits- und Studienort. Wir nahmen hier regelmäßig an Pleinairs teil, sind aber auch sonst immer hergekommen und nach Sanssouci gegangen, um dort zu malen. Das oft auch mit großen Leinwänden und mit Kinderwagen. Wir haben in Kleinmachnow gelebt, da war das ja kein Weg. Wir haben in Berlin studiert und Potsdam hat einfach diese Nähe zu Berlin ausgezeichnet.

In der Ausstellung sind Parklandschaften von Ihnen unter der Rubrik „Sehnsuchtsort“ zu sehen. War die Potsdamer Schloss- und Parklandschaft für Sie ein Sehnsuchtsort?

Christa Panzner: Man sucht sich seine Motive und Themen ja oft dort, wo man verortet ist. Darum haben wir vor allem unsere unmittelbare Umgebung gemalt, so wie auch unser Familie, Freunde und Verwandte unsere Motive waren. Die Parks – nicht nur die in Potsdam – haben uns ständig beschäftigt. Der Mensch und die Landschaft, das war schon sehr früh unser Thema. Potsdam war da schon unser Zentrum, in dem wir uns auch künstlerisch bewegt haben.

Aber bei dieser Landschaft stand weniger die Stadt, sondern vor allem die Natur im Vordergrund.

Christa Panzner: Ja, weil ich es brauche, ganz dicht dran zu sein, das unverstellt zu sehen. Dann hat das auch ganz pragmatische Gründen, denn nach dem Studium und drei Kindern ist der eigene Bewegungsspielraum doch begrenzt. Wir sind zwar auch viel gereist, immer mit den Kindern, aber die Motive sind ähnlich geblieben.

Peter Panzner: Potsdam habe ich nie als künstlerisches Thema aufgefasst. Es hat sich einfach ergeben, dass wir hier leben. Aber natürlich ist der Park Sanssouci etwas Einmaliges. Der hat von Anfang an einen starken Eindruck auf mich ausgeübt, der auch heute noch da ist. Ich habe auch in der Stadt gemalt. Arbeiten, die in dieser Ausstellung nicht berücksichtigt sind. Potsdam hatte seine schönen, aber auch grauen Seiten.

Wie blicken Sie heute auf die Bilder, von denen manche über 30 Jahre alt sind?

Christa Panzner: Ich sehe die Bilder an und denke: Ja, das war doch eine sehr intensive Zeit. Und ich hatte die Möglichkeit, so zu arbeiten, wie ich war. Das ist heute natürlich nicht anders, aber formal hat sich doch vieles verändert. Wenn man Parks malt, kann man damit Düsternis oder Freude ausdrücken. Es sind ja die inhaltlichen Dinge, die der Künstler in so eine Landschaft oder in ein Porträt hineinlegt.

Ihre Parklandschaften zeigen eindeutig keine Düsternis, sondern die Schönheiten, die diese Landschaften auszeichnen.

Peter Panzner: Darum haben wir sie ja auch gemalt. Darum sind wir dort hingegangen. Ein Park ist wie ein Garten, ein Sehnsuchtsparadies. Und wenn ich heute, nach über 30 Jahren, auf diese Bilder schaue, dann glaube ich, dass es uns gelungen ist, das Helle, das Schöne dieser Parks wiederzugeben. Auch wenn vor dem ersten Besuch der Ausstellung da dieses Gefühl war:  Oh Gott, wer weiß wie das heute wirkt auf mich nach all den Jahren. Aber doch, doch, die Bilder kann man sich noch anschauen.

Wie hat sich im Vergleich mit Ihren Bildern von früher beispielsweise der Park Sanssouci verändert?

Peter Panzner: Zuerst einmal habe ich mich verändert, denn ich gehe nicht mehr so oft in den Park. Und wenn doch, dann mache ich meist nur ein paar Radierungen. In meinem Alter, da schleppt man nicht mehr die Staffelei und das ganze Zeug mit sich rum. Aber an diese Zeit damals, an diese Arbeit dort draußen habe ich wirklich die besten Erinnerungen. Als ich hier an der Fachschule mein Assistenzjahr absolvierte, bin ich regelmäßig mit Wolfgang Thiel, damals Dozent an der Fachschule, in den Park zum Malen gegangen. Ich kann mich noch gut erinnern, als wir einmal in Sanssouci hinterm Teehaus arbeiteten und uns einfach so Bier gebracht wurde. Oder wie meine Frau und ich mit dem Kinderwagen und der Staffelei durch den Park sind und wir das Kleine abwechselnd geschaukelt haben, damit es ruhig blieb und jeder ein bisschen malen konnte. Das waren immer schöne Erlebnisse, vor allem auch, weil draußen zu malen einem viel mehr Luft und Raum gibt.

Sie waren damals oft in der Landschaft?

Peter Panzner: Ja, und darüber bin ich sehr froh. Denn über all die Jahre habe ich eine Fundus von Empfindungen und Mitteln angesammelt, davon zehre ich bis heute.

So können heute in Ihrem Atelier Landschaften aus der Erinnerung entstehen?

Peter Panzner: Genau, denn diese intensive Zeit hat mich als Maler ja geformt.

Christa Panzner:  Wobei wir nicht darauf angewiesen sind, Landschaften aus der Erinnerung heraus zu malen. Auch wenn es reizvoll sein kann, nach so vielen Jahren bestimmte Erinnerungen wieder hochkommen und man in der Lage ist, ihnen auf der Leinwand einen Ausdruck zu geben. Aber mittlerweile sind wir viel gereist, auch weit weg.

Es sind also auch auf diesen Reisen die Landschaften, die Sie künstlerisch interessieren?

Christa Panzner: Ja, wenn wir beispielsweise in Namibia unterwegs sind, habe ich immer Postkartenformate bei mir. Wenn mein Mann am Steuer sitzt, zeichne ich während der Fahrt. Das sind dann in gewisser Form Notizen, etwas Authentisches, das ich später im Atelier verarbeiten kann.

Fotografieren Sie auch Landschaften?

Christa Panzner: Das machen wir auch. Aber diese Bilder nutzen wir nur als Anhaltspunkte für spätere Arbeiten, auf keinen Fall als Vorlagen.

Wie haben Sie die Landschaft in Namibia bei Ihrem ersten Besuch erlebt?

Christa Panzner: Das war eine Wucht. Gleichzeitig ist man weg von allem und es erfüllt sich etwas. Es ist ein transzendenter Raum, der entsteht, den man hier in einer Stadtlandschaft gar nicht hat. Es entsteht ein ganz anderes Raumgefühl, einfach durch diese Weiten. Eine scheinbar endlose Ebene, und darüber ist nur noch der Himmel. Es gibt viele Horizontalen und Bögen, dafür ganz wenige Vertikale. Aber auch die Farben, die Luft und das Licht, einfach der Blick auf alles ändert sich. Das bestürmt einen förmlich.

Peter Panzner: Das ist einfach ein Mehr an Landschaft. Wenn ich dort am frühen Morgen die Stadt verlasse und fünf Stunden mit dem Auto durch die Landschaft fahre, komme ich vielleicht in der sechsten Stunde an einer Hütte vorbei. So was ist hier doch undenkbar. Hier sehe ich immer Spuren der Zivilisation. Und trotzdem ist das Ankommen in Namibia wie ein Ankommen zu Hause. Das war für mich am frappierendsten. Zuerst denkt man, das ist doch alles fremd, die Wüste, die Savanne. Wenn man sich dann aber dort in Ruhe hinstellt, all das auf sich wirken lässt, fühlt man sich wie angekommen.

Weil Sie Landschaften anders sehen, anders erkennen und mittlerweile vielleicht sogar in ihnen zu Hause sind?

Christa Panzner: Ja.

Peter Panzner: Auf jeden Fall. Das trifft auch auf die hiesige Landschaft zu. Aber dort erleben wir die Grundformen von Landschaft.

Christa Panzner: Wir sind in Namibia nie in einer Gruppe gereist, sondern immer allein. Wir konnten einfach anhalten, wo wir wollten. Wir konnten dort einfach unser Zelt aufschlagen und arbeiten.

Hat sich durch Ihre Reise nach Namibia Ihr Blick auf die Potsdamer Landschaft verändert?

Peter Panzner: Mit Sicherheit. Aber wir sind in dieser Landschaft heimisch geblieben. Ich fahre heute noch durch die Gegend und hoffe, etwas zu entdecken.

Obwohl Sie hier immer mit menschlichen Spuren und Eingriffen konfrontiert sind?

Christa Panzner:  Vielleicht auch gerade deshalb. Ich habe mich eine Zeitlang mit den Gartenplänen von Peter Joseph Lenné beschäftigt. Eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Thema, wie eine Gartenlandschaft gestaltet werden sollte. Wenn ich dann aber male, lass ich all das Theoretische, das vorher war, hinter mir. Denn wenn ich male, passieren einfach Dinge, die müssen dann auch einfließen in das, was ich mache. Da macht es keinen Unterschied, ob ich eine Landschaft in Namibia oder den Park Sanssouci als Motiv gewählt habe. Es hat sich über eine längere Zeit durch die Beschäftigung einiges angestaut, von bestimmten Dingen ist da ein gewisses Ahnen. Das alles führt dann zu dem Punkt, dass es raus muss, dass ich versuche, dem einen Ausdruck zu geben.

Peter Panzner: Man geht viel durch die Landschaft und nimmt dabei sehr viel auf. In all den Jahren hat sich bei mir nicht der Blick auf die Landschaft verändert, dafür aber die Landschaft umso mehr. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht gerade glücklich darüber bin. Wenn ich heute durch die Landschaft fahre, sehe ich fast nur noch Mais auf den Feldern. Oder es wird gebaut. Noch eine Straße, noch ein Baumarkt, noch ein Einfamilienhaus. Das sind Entwicklungen, die mich schon sehr beunruhigen. Natürlich ist Deutschland eine Kulturlandschaft, aber ich habe das Gefühl, hier wird viel zu viel kaputt gemacht. Wenn ich dann aber mal wieder in den Park Sanssouci komme, kann ich dort, auch wenn es ein paar bedenkliche Entwicklungen gibt, doch noch durchatmen.

Sie sind verheiratet. Wie wirkt sich diese Ehe auf Ihre Kunst aus? Sind Sie jeweils die ersten und strengsten Kritiker?

Christa Panzner: Es gab eine Zeit, da haben wir das mit der Kritik recht hart betrieben. Inzwischen lassen wir uns da ziemlich in Ruhe und sagen ab und an mal was, wenn es uns gefällt. Hinzu kommt, dass wir sehr unterschiedlich arbeiten. Ich habe den größeren Arbeitsraum, weil ich mich auch ständig bewegen muss. Ich arbeite im Gegensatz zu meinem Mann, der sehr kontinuierlich bei der Sache ist, sehr spontan, fast anfallartig. Er ist da einfach disziplinierter.

Das Gespräch führte Dirk Becker

„Stadt-Bild/Kunst-Raum“ ist bis zum 11. Januar im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, zu sehen. Der Ausstellungskatalog kostet 17, der Eintritt 5, ermäßigt 3 Euro.

Christa Panzner, geb. 1948 in Perleberg, studierte an der Kunsthochschule Berlin. Mit ihrem Mann gründete und leitete sie die Kunstschule Potsdam (1991-2013). Sie lebt in Niedergörsdorf.

Peter Panzner, geb. 1944 in Schwerin, studierte ebenfalls in Berlin und ist seit 1979 als freiberuflicher Maler und Grafiker tätig. Mit seiner Frau lebt und arbeitet er in Niedergörsdorf.

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