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Kultur: „Wir sind alle sehr belastet ...“ Bollhagen-Ausstellung endete emotionsgeladen

Sie war schon zu Lebzeiten eine Legende. Herausragende deutsche Keramikkünstlerin des 20.

Sie war schon zu Lebzeiten eine Legende. Herausragende deutsche Keramikkünstlerin des 20. Jahrhunderts, erfolgreiche Unternehmerin und charismatische Persönlichkeit mit großem Freundes- und Bewundererkreis: Das sind nur einige Attribute, die mit der Person Hedwig Bollhagen verbunden werden. Anlässlich ihres 100. Geburtstages fand im vergangenen Jahr im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte eine vielbesuchte Retrospektive unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin statt. Am Wochenende kamen nochmals zahlreiche Besucher sowohl in die Sonderausstellung – die insgesamt 11400 Besucher zählte – als auch zu deren Finissage ins Potsdamer Filmmuseum.

Gezeigt wurde dort der 1997 entstandene Film „Hedwig Bollhagen – Wie herrlich Zitronen schmecken“ von Henriette de Maiziére und Frederik Walker. Die Regisseurin, die mit Hedwig Bollhagen verwandt ist, geht in ihrer sehr persönlichen Dokumentation unter anderem der Frage nach den Umständen der Übernahme der ehemaligen „Haël-Werkstätten für künstlerische Keramik“ durch Hedwig Bollhagen und ihren Geschäftspartner und langjährigen Freund Dr. Heinrich Schild, damals Generalsekretär des Reichsstandes des Deutschen Handwerks und NSDAP-Mitglied, nach. Schild hatte die Firma 1934 zu einem erheblich unter dem Schätzpreis liegenden Verkaufspreis von 45 000 RM von der deutsch-jüdischen Keramikerin Margarete Heymann-Loebenstein erworben. Bollhagen sagt im Film deutlich, dass sie „der Kauf nicht belastet“, weil es „Tatbestand“ war, dass die Frau die Firma, die seit einiger Zeit still lag „nicht los wurde“ und „keine Interessenten vom Fach da waren“.

Die Regisseurin stellt in diesem Zusammenhang jedoch auch die Frage nach einer moralischen Schuld Bollhagens bei diesem Verkauf jüdischen Eigentums zur damaligen Zeit. Dem entzieht sich die damals 90-Jährige im Film mit einer „Flucht nach vorn“ – „wir sind alle sehr belastet“ – in ein kollektives Schuldbekenntnis.

Henriette de Maiziére gelingt es eindringlich, in dieser kurzen Sequenz zu zeigen, dass diese Frage HB nicht nur nicht angenehm war, sondern sie beschrieb in der überaus emotionsgeladenen Diskussion im Filmmuseum ebenfalls, wie sehr sich die Körpersprache ihrer Gesprächspartnerin veränderte, „wie sie sich spürbar verschloss“.

Besonders seit der Ausstellungseröffnung im Juni 2007, aber auch während der Rückübertragung der HB-Werkstätten in den 90er Jahren tauchen in den Medien immer wieder Berichte auf, die genau solche „unangenehmen“ Fragen stellen. Ursula Hudson-Wiedenmann und weitere Exilforscher haben dazu publiziert. Vor ein paar Tagen wurde im Deutschlandfunk ein Feature mit dem Titel „Margarete Loebenstein und Hedwig Bollhagen. Eine alltägliche Geschichte aus dem Dritten Reich“ gesendet, in der „Berliner Zeitung“ erschien am Wochenende ein Artikel mit ähnlicher Thematik. Beide beleuchten den Firmenerwerb kritisch. Auch in der Publikumsdiskussion – „Historisch war es eine Arisierung“, so eine Zuschauermeinung – wurde darauf Bezug genommen. In der Sonderausstellung im HBPG wurde das „Kapitel“ Margarete Heymann-Loebenstein nicht ausgeblendet, auch Ursula Hudson-Wiedenmann konnte ihre Forschungsergebnisse im Begleitbuch zur Ausstellung veröffentlichen. Allerdings scheint bis heute nicht ausreichend Licht ins Dunkel dieses 34er Jahres gebracht. Auch wenn Hedwig Bollhagens Rechtsanwalt Lothar de Maiziére an gleicher Stelle den Prüfungsbericht des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen zitiert und den „Vorgang“ für abgeschlossen hält.

Seine Tochter hingegen machte deutlich, dass es nicht darum geht, über Hedwig Bollhagen zu richten, sondern vor allem darum, genau hinzugucken, was damals war. „Es ist wichtig, dass es zur Sprache kommt“, betonte sie und bekam auch von einer Zuschauerin gesagt, dass sie im Film „Hedwig Bollhagen nahe gekommen, aber nicht zu nahe getreten“ sei.

Vielleicht wäre es ja ein Anfang, genau diese Passagen des Films in der neu einzurichtenden Dauerausstellung im Museumshaus „Im Güldenen Arm“ Besuchern zugänglich zu machen. Und darüber hinaus, von der Bollhagen-Stiftung unabhängige Sachverständige zu beauftragen, den gesamten Verkaufsvorgang der Haël-Werkstätten nochmals zu untersuchen – und wenn nötig, neu zu bewerten. Nicht, um die Person Hedwig Bollhagens zu diffamieren, sondern um dieses Kapitel noch besser zu beleuchten.

Astrid Priebs-Tröger

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