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Kultur: Willkommen im Kit-Kat-Club BT bringt Cabaret auf die Bühnen des Landes

„Willkommen, bienvenu, welcome, Fremder, étranger ..

„Willkommen, bienvenu, welcome, Fremder, étranger ...“ Seit Mitte Dezember probt das Ensemble des Brandenburger Theaters unter der Regie von Manuel Schöbel eines der erfolgreichsten Broadway Musicals. Cabaret wurde 1966 in New York uraufgeführt und durch Liza Minnelli in der Filmadaption unsterblich gemacht.

„... étranger, Stranger“ führt Falk Berghofer, der als Confèrencier auftreten wird, das wohl bekannteste Lied des Stückes aus der Begrüßungsszene mit schnarrender Stimme weiter, dass es einem durch Mark und Bein geht. In dem Musiktheaterstück, das von Joe Masteroff nach einem Romanfragment von Christopher Isherwood geschrieben wurde, geht es um Fremde, die im pulsierenden Berlin der frühen 30er Jahre ihr Glück suchen. Wie Clifford, der Schriftsteller aus Amerika, der sich hemmungslos in die Nachtclub-Tänzerin Sally verliebt.

Aber es geht auch um Politik und um Verführbarkeit. Dieses Berlin war ein Schmelztiegel der Nationen. Atemberaubend, lebenshungrig, sinnengierig. Eine Weltoffenheit, die vom aufstrebenden Nationalsozialismus keine Duldung erwarten konnte. „Wir hatten da eine Versammlung...“, berichtet der Deutsche Ernst Ludwig auf der fröhlichen Verlobungsfeier des jüdischen Obsthändlers Herr Schulze mit dem Fräulein Schneider. Und jeder weiß, was das für eine Versammlung war. Die Stimmung ist dahin.

„Man kann das Stück nicht oft genug aufführen,“ sagt Regisseur Manuel Schöbel, „es hat seine Aktualitäten an jedem Ort der Welt und zu jeder Zeit.“ Zwar tut jeder Regisseur gut daran, das über sein Stück zu sagen. Aber dass Cabaret so ein Welterfolg wurde, liegt eben wirklich auch daran, dass diese Aktualität im Stück selbst angelegt ist. Denn wenn der Conférencier sein Publikum begrüßt, dann spricht er gleichzeitig vor den aktuellen Brandenburger, Potsdamer oder Frankfurter Zuschauern, also an den Orten, an denen das Musiktheater gastieren wird. Die Rolle von Berghofer, die dieser mal diabolisch, mal als allwissender Schelm ausfüllt, greift aus der Fiktion immer auch in das Jetzt hinein. Der Kit-Kat-Club, jener verruchte Nachtclub, in dem Sally und ihre Kolleginnen arbeiten, hat sozusagen immer geöffnet. „Es gibt diese Spiel-im-Spiel-Ebene“, sagt Schöbel, „da wird eine Geschichte für das Heute erzählt.“

Roswitha Stadlmann, die Darstellerin der Sally, die, um ihre Karriere nicht zu gefährden, die Augen vor dem Unheil verschließt, hat Verständnis für ihre Rolle: „Ich als Sally interessiere mich einen Dreck für Politik.“ Persönlich wüsste sie allerdings auch oft nicht, wie sie sich eine Meinung bilden solle – außer aus dem Gefühl heraus. Vielen würde das auch so gehen, meint sie beim Studiogespräch.

Manuel Schöbel, der zuvor beim Berliner Caroussel Theater arbeitete, lobt die Arbeitsbedingungen an einem Stadttheater. „Nur hier“, sagt er, „hat man die Möglichkeit, acht Wochen intensiv zu üben.“ Nur hier könne man sich Zeit nehmen, um die Rollen wirklich passend zu besetzen. Immerhin zwei Schauspieler aus dem kleinen Brandenburger Ensemble sind mit dabei. Marion Wiegmann als Fräulein Schneider und Harald Arnold als jüdischer Kaufmann. Die Kit-Kat-Girls und –Boys habe man so ausgewählt, dass sie die multikulturelle Vielfalt Berlins abbilden. Natasha aus Sibirien, Claudia aus Italien, Helga, die Deutsche und die deutsch-türkische Aishe geben lasziv den Regenschirmtanz. Den berühmten Melodien dazu, bekräftigt der musikalische Leiter Matthias Witting, solle der „Zucker“, der Schmelz erhalten bleiben, ohne in ihm zu ertrinken. Schöbel und seinen Schauspielern ist klar, wie vorsichtig man inszenieren muss, wenn man gegen ein Original anspielt, das in jedermanns Kopf klingt. Wegen besonderer Werktreue wird zum ersten Mal die im Original erwähnte Damenkapelle auf der Bühne die Musik machen. Neun Musikerinnen verführen dann in den verruchtesten Club Berlins. Dann heißt es: „Welcome, bienvenue au Cabaret.“Matthias Hassenpflug

Premiere: 3. Februar in Brandenburg; in Potsdam: 24. – 26. Februar 2006.

Matthias Hassenpflug

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