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Stereotyp. Vorurteile bedient Kabarettist Abdelkarim fleißig.

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Kultur: Wer den Schwarzen Peter hat Kabarettist Abdelkarim im Potsdamer Lindenpark

Pünktlich um acht Uhr sollte der Integrationskurs am Freitagabend im Lindenpark beginnen, aber Dozent Abdelkarim steckt da noch mit seinem Auto im Stau: Eigentlich wollte er ja den Zug nach Potsdam nehmen, aber einen Tag nach dem Sturmtief fährt der noch nicht. Die Klasse ist jedoch geduldig: Mit einstündiger Verspätung betritt Abdelkarim dann die Bühne.

Pünktlich um acht Uhr sollte der Integrationskurs am Freitagabend im Lindenpark beginnen, aber Dozent Abdelkarim steckt da noch mit seinem Auto im Stau: Eigentlich wollte er ja den Zug nach Potsdam nehmen, aber einen Tag nach dem Sturmtief fährt der noch nicht. Die Klasse ist jedoch geduldig: Mit einstündiger Verspätung betritt Abdelkarim dann die Bühne.

Nun kollidiert man ja im Comedy-Bereich mit viel Flachwitz-Potenzial, und oft genug wird aus gutem Grund eine Grenze zum politischen Kabarett gezogen – das sich durch eine gesellschaftskritische Bissigkeit vom lauwarmen Wohlfühlprogramm abhebt. Abdelkarim, der als Sohn marokkanischer Eltern in der Bielefelder Bronx geboren wurde, ist deshalb mit dem Etikett „Comedian“ falsch beklebt: Die im ironischen Duktus vorgetragenen Selbstreflektionen als potenzieller Terrorist, „Nafri“ oder „nix deutsch“ verstehender Flüchtling berühren nämlich durchaus eine hochpolitische Ebene; der Witz entsteht nämlich erst dadurch, dass Abdelkarim sich – ähnlich wie der jüdische Kabarettist Oliver Polak – in der Schublade der Vorurteile bequem einrichtet und diese fleißig bedient.

Passend mit schwarzem Vollbart, Kampfsport-Shirt und Jogginghosen steht Abdelkarim auf der Bühne und zieht sein schnodderiges Programm durch. Trotz seines nichtdeutschen Namens sei er ja eigentlich Reichsbürger – auch wenn er es nicht offiziell werden durfte, denn die Position des Dunkelhäutigen besetze ja schon Xavier Naidoo. Da passt sein Herkunftsort Bielefeld als topografische Metapher der bedeutungslosen Piefigkeit natürlich hervorragend – bis hin zur tradierten Nichtexistenz des Ortes: Die sei eine Erfindung des Bielefelder Bürgermeisters gewesen, damit die Rumänen nicht kommen – dafür seien die in Duisburg gelandet. Dann doch lieber Moslems, für die es zurzeit aber schwierig sei, einen Lkw für den Umzug zu mieten.

Und während die ganze Republik noch im Korridor zwischen politischer Korrektheit und dumpf-rassistischem Populismus Grabenkämpfe austrägt, kann Abdelkarim wenigstens noch lachen; darüber etwa, dass ausgerechnet Bushido einen Integrationspreis bekommt, einen „Bimbo-Bambi“ dafür, „sich trotz schlechter Gene beherrscht zu haben“. Denn die zweite Einwandergeneration, die wie Abdelkarim in Deutschland aufgewachsen ist und trotz des Phänotyps nichts anderes ist als deutsch, hat auch allen Grund, sich zu freuen: über die sogenannte Flüchtlingskrise. „Flüchtlinge waren für uns der Grund, den Schwarzen Peter weiterzureichen.“ Und einer muss ihn ja haben. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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