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Freudesprünge bei der Probe.

© Rico Hofmann/promo

"Wenn wir erst tanzen" im Thalia-Kino Potsdam: Sag mir, wo die Träume sind

Die Stadt Hoyerswerda droht durch Wegzug zu vereinsamen. Die Dokumentation "Wenn wir erst tanzen" zeigt eine Gegenbewegung vor Ort. Sie ist im Thalia-Kino zu sehen.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Die Träume der Kindheit decken sich nur selten mit der Wirklichkeit des späteren Erwachsenenlebens. Damals bestand eventuell der Wunsch, Ballett zu tanzen, Profireiten zu können oder Perlentaucher zu werden. Vielleicht waren es auch simplere Wünsche nach einer eigenen Familie, einem Haus oder einfach einem Ort, den man gerne sein Zuhause nennt.

Hoyerswerda war und ist für einige Menschen solch ein Ort. Ursprünglich eine Kleinstadt, zog der Ausbau der Braunkohleindustrie vor Ort nach dem Zweiten Weltkrieg viele neue Bewohner an. Die Bevölkerung vervielfachte sich von etwa 7000 Menschen auf mehr als 70 000. Die Stadt vergrößerte sich, Hochhaussiedlungen wurden gebaut. Nach der Wende ging es jedoch wieder bergab: Durch zunehmende Arbeitslosigkeit zogen die Bewohner fort. Fremdenfeindlichen Ausschreitungen am Anfang der 1990er Jahre trugen nicht unbedingt zur Beliebtheit bei, die Einwohnerzahl schrumpfte auf weniger als 40 000. Durch die anhaltende Abwanderung wohnen heute in Hoyerswerda nur noch um 30 000 Menschen.

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Eine nachhaltig wirksame Gemeinschaft

Von dieser kontinuierlichen Schrumpfung erzählt der Dokumentarfilm „Wenn wir erst tanzen“, der heute Abend einmalig in Anwesenheit der Regisseure im Babelsberger Thalia-Kino gezeigt wird. Der Film begleitet den aus Hoyerswerda stammenden Dirk Lienig, der versucht, mit einem Tanzprojekt wieder Leben in seinen Heimatort zu bringen. Durch Kultur eine nachhaltig wirksame Gemeinschaft zu bilden. Lienig ist ausgebildeter Tänzer, arbeitet als Choreograf und und Regisseur. Von ihm stammt nicht nur der Anstoß des Tanzprojektes, sondern auch die Idee, das Ganze filmisch festzuhalten. Gemeinsam mit seinen Regisseurskollegen Dirk Heth und Olaf Winkler stellt er dabei vor allem die Mitwirkenden in den Vordergrund.

Sie alle hadern irgendwie mit Hoyerswerda, mit ihrer Lebenssituation – und öffnen sich durch den Tanz. In eingeblendeten Porträtaufnahmen lässt der Film sie von sich erzählen. Von ihren Wünschen, die sie mal motiviert haben und davon, was daraus geworden ist. Da ist zum Beispiel Janina Gräser, 1976 in Hoyerswerda geboren, die nach 15 Jahren als Ergotherapeutin ein Burnout erlitten hat. „Ich kam mir ganz lange vor, wie im Hamsterrad und hab für meine Arbeit alles gegeben. 120 Prozent war nichts“, sagt sie an einer Stelle. „ Dann sollte ich in 30 Wochenstunden 30 Kinder therapieren, 30 Terminpläne machen, 30 Mal Arztkontakte und das war alles zu viel.“

Performance aus "Wenn wir erst tanzen".
Performance aus "Wenn wir erst tanzen".

© Rico Hofmann/promo

Die Motivation des Films gibt Hoffnung

Freimütig erzählt sie davon, wie sie immer mehr die ganze Familie, statt nur das Kind therapiert hat. Weil eben in Hoyerswerda eher sozial schwache Familien geblieben sind, die oft hilflos allem gegenüber stehen. Und dann wird es privater: Von ihren eigenen Unsicherheiten erzählt Gräser. Solchen, die tief sitzen, weil sie in der Kindheit geprägt wurden. Nie gut genug habe sie sich gefühlt, immer das Gefühl gehabt, etwas falsch zu machen.

Solchen Unsicherheiten tritt etwa Martin Rattke ganz offensiv entgegen. 1990 in Hoyerswerda geboren, hat er als gelernter Mediengestalter für eine Merchandisefirma gearbeitet. Irgendwann wird ihm das zu viel: „Es gibt sowieso endlos viele Möglichkeiten, was man machen könnte, soviel Möglichkeiten, sich auszuprobieren“, sagt er. „Also, im September fang ich an, einen Trommelkurs zu leiten. Ich hab in meinem ganzen Leben noch nie getrommelt. Aber ich werd’s lernen.“

Seine positive Einstellung gibt Hoffnung. Genau wie das Kulturzentrum, das unter Dirk Lienigs Leitung in Hoyerswerda entsteht und seine Botschaft weiterträgt: Auch hier kann wieder etwas entstehen. Etwas kulturell Nachhaltiges, eine Gemeinschaft. Ein Dialog zwischen allen Seiten, in dem das Ausleben von Träumen wieder möglich wird. 

>>„Wenn wir erst tanzen“, Samstag, 26. Oktober um 18.45 Uhr im Thalia-Kino, Rudolf-Breitscheid-Straße 50

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