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Kultur: „Wenn sie erschien, ging die Sonne auf“ Der Sängerin Adele Stolte zum 85. Geburtstag

Ein Mädchen mit blonden Zöpfen steht auf der Kanzel. Es singt und verkündet große Freude, „die allem Volk widerfahren wird“.

Ein Mädchen mit blonden Zöpfen steht auf der Kanzel. Es singt und verkündet große Freude, „die allem Volk widerfahren wird“. 15 Jahre alt war Adele Stolte damals, 1948. Unter der Leitung von Hans Chemin-Petit sang sie die Worte des Engels in Bachs Weihnachtsoratorium. Die Zuhörer in der Friedenskirche Sanssouci waren bereits ergriffen von der Reinheit des Soprans und des Ausdrucks, die die Tochter des Superintendenten Konrad Stolte und seiner sängerisch begabten Ehefrau Katharina an den Tag legte. Der Engel sollte Adele Stolte während ihrer Karriere als Sängerin stets begleiten.

Nach ihrem privaten Gesangsstudium bei Annelise Buschmann in Rostock wurde die große Wirkung ihres gut projizierten Soprans, der durch klare Höhen, einen kristallinen Schimmer so für sich einnahm, vertieft. Dazu kam die wunderbar sichere Musikalität. In Kirchenkonzerten der Region machte sich die in Sperenberg Gebürtige zunächst einen Namen. 1957 führte sie das Solistenensemble beim ersten Konzert des Oratorienchores Potsdam an, der von ihrem Vater mitgegründet wurde. Mozarts bewegende Requiem-Vertonung und gleich darauf Bachs Weihnachtsoratorium waren die ersten Partien, mit denen sie jahrelang in künstlerischer Verbindung blieb, ebenso mit der Potsdamer Kantorei. Natürlich versicherte man sich gern ihrer Mitwirkung bei Oratorienaufführungen in Berlin, Rostock oder Greifswald.

Adele Stoltes Name ist untrennbar mit der Musik Johann Sebastian Bachs verbunden. Ihr Aufstieg als Bach-Sängerin begann, als man sie regelmäßig für Aufführungen des Leipziger Thomanerchores unter der Leitung von Kurt Thomas und später unter Erhard Mauersberger verpflichtete. Schon 1958 machte die Sopranistin die ersten Rundfunkaufnahmen und ab 1960 wurde ihre sängerische Laufbahn von einer ganzen Reihe von Schallplattenproduktionen gekrönt.

Die Mitwirkung bei der Wiedergabe von Bachs Matthäus-Passion spielte dabei eine herausragende Rolle, ebenso die glanzvolle Interpretation der Kantaten des Thomaskantors „Jauchzet Gott in allen Landen“ und „Weichet nur betrübte Schatten“ mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter dem inspirierenden Dirigat von Kurt Masur. Der einstige Gewandhauskapellmeister sagte vor zehn Jahren über Adele Stolte: „Wenn sie erschien, ging die Sonne auf. Ich habe immer versucht zu ergründen, wie sie trotz ihrer großen Erfolge so einfach – natürlich und bescheiden – bleiben konnte. Ich glaube, dass sie selbst die starke Überzeugungskraft ihrer Interpretationen nie angezweifelt hat.“

Für die Sängerin war neben der Musik auch stets das komponierte Wort wichtig, ohne es expressiv zu überfrachten. Werke der Barockzeit, Klassik, Romantik sowie des 20. Jahrhunderts waren in ihrem Repertoire, die sie auf vielen Konzertreisen im In- und Ausland sang. Mit besonderer Liebe pflegte die Sängerin auch das Liedgut. Bei den Konzerten stand ihr Wolfram Iwer, ihr Ehemann, als Pianist zur Seite. Doch es gab auch Zeiten, als die DDR-Künstleragentur, die die Gastspiele der ostdeutschen Musiker kontrollierte, sie nicht mehr in den Westen ließ. Als Tochter eines kritischen Pfarrers war sie bei den DDR-Oberen eher unbeliebt.

Dass Adele Stolte als Gesangspädagogin in Breslau und dann als Professorin an der Universität der Künste die Ausbildung des sängerischen Nachwuchses mit beförderte, erfüllt sie mit Dankbarkeit. Heute feiert die Potsdamer Sopranistin ihren 85. Geburtstag. Klaus Büstrin

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