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Kultur: Wem gehört nun der Preis?

Geheimnisumwobenes Konzert der „intersonanzen“

Geheimnisumwobenes Konzert der „intersonanzen“ Von Sonja Lenz Spannend, dieses Preisträgerkonzert. Richtig geheimnisvoll. Am Ende weiß niemand, wer die Wettbewerbssieger eigentlich sind. Da werden Urkunden feierlich an die falschen Komponisten überreicht. Überraschte werden geehrt, denen die Ehre gar nicht gebührt und gefällt. „Das Stück war ja sehr schön – aber es stammt leider nicht von mir.“ Den Satz hört das Publikum im Alten Rathaus mehr als einmal. Aber die Stücke, das sind wenigstens die richtigen. Die echten Siegerwerke des Kompositionswettbewerbs. Das beteuert Bernhard Reichenbach, der ratlose Vorsitzende des Brandenburgischen Vereins Neue Musik. Der Rest klärt sich erst nach der Veranstaltung auf. Allein der dritte Preis ist unstrittig. Er gehört dem bulgarischen Komponisten Ludomir Denev. „Playing with the Wind“ heißt das ausgezeichnete Kammerensemblewerk. Das Passende für einen windigen Herbsttag. Durch die breite Fensterfront im Vortragssaal sieht man die Bewegungen der kahlen Äste und hört dazu die Musik. Genauso unberechenbar, heftig und hauchzart, mit Trillern und Glissandi. Sechs Instrumente treffen sich in einem bewegten, erregten Unisono. Die instabile Einheit fällt immer wieder auseinander, jedes Element entwickelt sein Eigenleben. Streicher und Bläser, lyrische Melodien und raue Akzente, Verträumtes und Abgehacktes klingen gegeneinander. Und doch finden alle Kontraste auch wieder zur Harmonie zurück. Der erste Kompositionswettbewerb des Brandenburgischen Vereins Neue Musik ist im vergangenen Jahr ausgeschrieben worden, und zwar auf internationaler Ebene im Rahmen des Brandenburger „Europa“-Kulturjahrs. Trotzdem sind insgesamt nur sechs Bewerbungen eingegangen. Woran das liegt, werden sich die Verantwortlichen jetzt wohl fragen. Die Preisgelder fließen zwar mit 300, 500 und 1000 Euro nicht allzu üppig, aber es winkten immerhin drei Aufführungen. Drei Komponisten saßen in der Jury: Georg Katzer, Rainer Lischka und Hans Hütten. Sie konnten sich schnell auf die drei Siegerstücke einigen. Nur die Zuordnung zwischen den Namen und den Passwörtern der anonym eingereichten und beurteilten Kompositionen fiel offenbar schwer. Dass Kurt Dietmar Richter den zweiten Preis gewonnen hat, stellte sich erst nach dem Konzert heraus. Wenn sein fälschlich geehrter Kollege nicht zufällig anwesend gewesen wäre und gleich protestiert hätte, würde er von seinem Glück vielleicht nie erfahren. „Azione, Nocturne und Improvisando“ heißt sein tänzerisch beschwingtes Kammermusikstück. Fünf Instrumente fallen munter übereinander her. Sie kabbeln und sie streicheln sich mit Flatterzunge und Pizzocato. Auch das Nocturne verheißt keine schläfrige Nacht, sondern Diskussionen und Turbulenzen. Temperamentvoll stampfen die Musiker mit den Füßen auf den Boden. Engagiert vertieft sich das ensemble jungemusik in die neuen Klänge. Der Dirigent und Komponist Helmut Zapf hat es vor zehn Jahren gegründet. Unter seiner Leitung spielen sieben gut aufeinander eingehörte Musiker, jeder für sich ein Solist: der Flötist Eric Drescher, der Klarinettist Matthias Bacdzong, die Fagottistin Ulrike Buhlmann, der Hornist Noam Yogev, die Geigerinnen Susanne Zapf und Antje Messerschmidt, der Cellist Augustin Maurs und der Pianist Arno Waschk. Alle Preisstücke sind solide, lebendige Kompositionen. Man mag ihnen keinen Ewigkeitswert bescheinigen. Sie stoßen keine Tore in neue musikalische Welten auf, halten sich von allzu großer Experimentierlust fern. Aber sie unterhalten freundlich mit zeitgenössischen Mitteln.Rhythmisch verspielt klingt das Siegerwerk. Die Violine streicht ihr jazziges Solo. Der Dirigent tänzelt im Sitzen auf dem Stuhl. Wechselnde Duoformationen finden sich in der „Kammermusik à 6“ zusammen. Zitierlustig stößt der Komponist musikalische Fenster in die Vergangenheit auf. Welcher Komponist? Nicht der, der schon die Urkunde in der Hand hält. Nach Konzertschluss graben die Veranstalter und die Musiker neugierig in den Bewerbungsunterlagen. Gewinner ist: Diether Noll aus Eichwalde, Komponist, Dirigent und Pädagoge. „Na sowas. Da habe ich ja ein Stück von meinem Lehrer gespielt“, wundert sich der Pianist.

Sonja Lenz

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