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„Welch ein Leben!“: Neuer Film erzählt das Leben von Walter Kaufmann

Im Leben des verstorbenen jüdischen Schriftstellers treffen sich die großen Linien und Brüche des 20. Jahrhunderts. Ein neuer Dokumentarfilm zeichnet es nach.

Potsdam – Walter Kaufmann ist viel herumgekommen in seinem Leben. Er lebte in Australien, war in den USA, als der Prozess gegen die afroamerikanische Bürgerrechtlerin Angela Davis lief. War in Kuba, in Japan, in Israel. Geboren aber wurde Walter Kaufmann 1924 im Berliner Scheunenviertel als Jizchak Schmeidler. 

Im Leben des jüdischen Schriftstellers Walter Kaufmann, verstorben im April dieses Jahres in Berlin, treffen sich die großen Linien und Brüche des 20. Jahrhunderts. Es war geprägt vom Horror der Shoah – und von einem ungemeinen Entdecker- und Überlebensdrang. Der Dokumentarfilm von Dirk Szuszies und Karin Kaper, der dieses Leben nun nachzeichnet, ist mit einem Ausruf überschrieben: „Welch ein Leben!“

Mit drei Jahren wurde Kaufmann zur Adoption freigegeben

Walter Kaufmann wuchs als Kind einer alleinerziehenden Mutter im Scheunenviertel auf, bevor diese ihn, dreijährig, zur Adoption freigab. So wurde aus dem „Lumpenkind“ das „Bourgeois-Kind“, wie Kaufmann selbst sagt. Seine Adoptiveltern gaben ihm ein neues Zuhause in Duisburg, der Vater stand dort der jüdischen Gemeinde vor. Der Mathe-Lehrer in SA-Uniform widerte ihn an, aber sonst war man in der Schule gut zu ihm: Dass die Mitschüler bedauernd sagten: „Schade, dass du Jude bist“, war freundlich gemeint.

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Kaufmanns Vater kam ins KZ in Dachau und kehrte als veränderter Mann zurück. Er sprach nie darüber. Als 14-Jähriger bemühte sich Walter Kaufmann um eine Ausreise nach England, was gelang: Am Tag nach seinem 15. Geburtstag kam er auf der Insel an. Der Mutter hatte er am Bahnhof in Berlin gesagt: „Mutti, du musst nicht traurig sein. Ich bin doch gar nicht dein Kind.“ Es waren die letzten Worte, die er mit ihr wechselte. Die Eltern wurden 1938 deportiert.

In der DDR wurde er Kulturfunktionär und spielte in Defa-Filmen mit

Walter Kaufmann kam in England in eine Schule, dann in ein Internierungslager. Dorthin brachte man ihn, sobald er 16 war. Als Deutscher stand er unter Generalverdacht. Als 2500 Internierte nach Australien verschifft werden sollten, meldete er sich freiwillig. Wurde australischer Soldat, später Hochzeitsfotograf, noch später fuhr er zur See. Und Walter Kaufmann begann zu schreiben. 

Er schrieb Dutzende Bücher. Zunächst „Wohin der Mensch gehört“ (1957), „Ruf der Inseln“ (1960), etwas später „Begegnung mit Amerika heute“ (1965) – da lebte er schon in der DDR. Er heiratete die Defa-Schauspielerin Angela Brunner, mit der er jahrzehntelang in Kleinmachnow wohnte. Er wurde zum DDR-Kulturfunktionär mit australischem Pass, ab 1985 war er Generalsekretär des PEN-Zentrums der DDR. Er spielte in Defa-Filmen mit, war 2007 in Potsdam ein Gründer des Landesverbands Brandenburg der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. 

Und er schrieb, schrieb, schrieb. Zuletzt unter anderem „Begegnungen aus neun Jahrzehnten“ (2018). In dem Film „Welch ein Leben!“ sagt Walter Kaufmann über die Zeiten, die er durchsegelte: „Ich bin ein ganz kleiner Fisch in diesem großen Meer.“

Der Dokumentarfilm „Walter Kaufmann – Welch ein Leben!“ wird diesen Freitag (8.10.) um 18.30 Uhr im Thalia-Kino von dem Regieteam vorgestellt.

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