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Kultur: Weibliche Innenansichten in Moskau Uli Gaulkes „Pink Taxi“ im Filmmuseum

Der Charme der hiesigen Taxifahrer ist nahezu sprichwörtlich: Gespräche über das Wetter gelten schon als Höhepunkte der Kommunikation. Ganz anders in Moskau.

Der Charme der hiesigen Taxifahrer ist nahezu sprichwörtlich: Gespräche über das Wetter gelten schon als Höhepunkte der Kommunikation. Ganz anders in Moskau. Der Dokumentarfilmer Uli Gaulke hat in seinem kürzlich fertiggestellten Film „Pink Taxi“ drei Taxifahrerinnen porträtiert, die im einzigen Frauentaxiunternehmen der russischen 10-Millionen-Metropole ihren Dienst tun. Vier Wochen lang begleitete er Alla, Marina und Victoria bei ihren Fahrten in ihren knallig pinkfarbenen Autos durch das boomende Moskau. Am Dienstagabend stellte er seinen Film beim Aktuellen Potsdamer Filmgespräch in einem Preview zum ersten Mal der Öffentlichkeit vor. Und berichtete davon, wie er dazu kam, die russische Hauptstadt aus dieser eher ungewöhnlichen Perspektive darzustellen.

Der ehemalige HFF-Absolvent, der nicht nur hierzulande mit Filmen wie „Havanna, mi amor“ oder „Comrades in dreams“ bekannt wurde, hatte vor zwei Jahren in der Tagesschau ein Bericht über „Schenskoje Taksi“ gesehen und war sofort von diesem Blickwinkel fasziniert. Lassen sich doch während der Taxifahrten Momentaufnahmen vom Leben ganz unterschiedlicher Protagonistinnen, der weiblichen Fahrgäste, mit denen der Fahrerinnen in Beziehung setzen. Und dabei nicht nur verschiedene Biografien, sondern auch ganz unterschiedliche soziale Welten spiegeln. Denn während Alla, Marina und Victoria eher am unteren Ende des sozialen Gefüges sind, haben ihre Fahrgäste den Aufstieg bereits geschafft.

Erfolgreiche Geschäftsfrauen, neureiche Töchter oder gut situierte Ehefrauen und junge Mütter verkörpern die Sonnenseiten der so unerhört dynamischen, oftmals bedrohlichen Stadt. Im Film gibt es eine Sequenz, in der ein Mann an Krücken eine etwa zehnspurige Fahrbahn zu überqueren versucht. Und das Drehteam „verschliss“ in vier Wochen drei Fahrer, weil diese dem atemberaubenden Tempo nicht gewachsen waren. Die Taxifahrerinnen, meist um die fünfzig, gehören einer anderen Generation als ihre Fahrgäste an und haben in ihrem Leben gelernt, aus jeder Situation etwas zu machen. Sie geben in Gaulkes Film sehr Privates vor der Kamera preis. Gleichzeitig werden sie zu Regisseurinnen in den Unterhaltungen mit ihren Kundinnen, die, wie bei Frauen nicht unüblich, ebenfalls oft ganz Intimes verhandeln. Und die, da die Fahrten in der Megacity meistens länger als eine Stunde dauern, zu großer Intensität und Offenheit gelangen.

„Pink Taxi“ zeigt nicht nur diese weiblichen Innensichten der russischen Gegenwartsgesellschaft – die „große Politik“ wurde nicht in den Gesprächen aber im Film bewusst ausgespart – sondern auch die glitzernden neuen Außenfassaden, die nahtlos neben den überkommenen stehen. Typisch auch die Biografie des einzigen männlichen Protagonisten Alexander Wladimirowitsch, eines ehemaligen Angehörigen einer sowjetischen Raketenspezialeinheit, der jetzt als "Mädchen für alles" bei „Schenskoje Taksi“ vor allem die technische Seite des Betriebes zu verantworten hat.

Und, seltsam bekannt und irgendwie rührend, die kurzen Schlaglichter, die er auf das immer noch „kollektive“ Zusammenleben im Frauenbetrieb, mit begangenen Feiertagen wie dem 8. März, wirft. Insgesamt ein sehr sehenswertes, dabei oft erheiterndes Porträt sehr starker Macherinnen, die dem leidenschaftlichen Regisseur, wie er im anschließenden Gespräch bekannte, ungemein ans Herz gewachsen sind. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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