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Kultur: Wegsehen oder einmischen?

Premiere von „Ad acta“ im Haus Zimmerstraße: Der HOT-Theaterjugendclub näherte sich Hans Otto

Mitreißende Musik, kreisende Bierflaschen, wippende Hüften und jugendliches Gejohle. Im Keller herrscht eine ausgelassene Stimmung. Mit dabei Roseanna, Crazy Lou und Swinging Sue. Sie sind blutjung und arbeiten am Tage in einer Zeitungsredaktion oder putzen bei Nazibonzen.

In ihrer Freizeit wollen sie aber vor allem eins: sich amüsieren. Die so genannte Swing-Jugend, die in den 30er Jahren durch ihr nonkonformes Verhalten den Herrschenden ein Dorn im Auge war, diente für die elf fiktiven Szenen des neuesten Stücks des Theaterjugendclubs „Ad acta?“, das am Freitagabend in der Zimmerstraße zur Premiere kam, als historisches Vorbild. In Rudis geheimem Kellertreffpunkt suchen die jungen Leute ein bisschen Glück, feiern auch so manche „wilde Orgie“.

Doch die Realität holt sie unverhofft ein, als der stille Ludwig, der als Theatertechniker arbeitet, seinen Kollegen Hans Otto treffen will und unverrichteter Dinge in den Keller zurückkehrt. Der Freund taucht nicht auf und bleibt verschwunden. Dieses Ereignis polarisiert die bis dahin sich selbst eher als unpolitisch bezeichnenden Jugendlichen. Sollen sie sich einmischen oder einfach wegsehen? Das wird für die unangepasste Swinggruppe zur entscheidenden Frage.

Felix Freese, Alissa Gilmutdinowa, Enno Hartmann und die 12 anderen Mitspieler des Theaterjugendclubs sind in den vergangenen Wochen und Monaten mit „Haut und Haaren“ in das Leben des Schauspielers und Kommunisten eingetaucht (PNN berichteten). Sie entdeckten einen Menschen voller Verantwortungsgefühl und Mitmenschlichkeit, einen beeindruckenden Künstler mit großer Ausstrahlung. Und sie bemerkten außerdem, dass sich seit Jahren ein schleichender Prozess des Vergessens seiner Person bemächtigt hat. Mit ihrem Stück wollten sie dem etwas entgegensetzen.

Mit Zeitzeugendokumenten und eigenen Tagebuchaufzeichnungen ihres fünfmonatigen Arbeitsprozesses erhellten sie in den dokumentarischen Passagen, die die von ihnen erfundene Geschichte ergänzen, wirkungsvoll das gesellschaftliche Engagement und das Leben Hans Ottos. Gleichzeitig unternehmen sie in den Spielszenen den gelungenen Versuch, durchschnittliche Jugendliche in einer Entscheidungssituation, in der es um Mut und Verantwortungsbewusstsein geht, zu zeigen. Und es wurde schnell klar, dass es darauf keine einfachen Antworten gibt. Umso mehr leuchtete das Beispiel Hans Ottos, der kompromisslos seinen Weg bis zu Ende ging.

Diese Gegenüberstellung berührte am Freitagabend die zahlreich erschienenen jungen Zuschauer und auch die anwesende Nichte Hans Ottos sichtlich. Die Geschichte der Keller-Clique wurde mit viel Spielfreude von allen Mitspielern jugendlich frisch erzählt. Bei den kontrastierenden Szenen, die im ersten Teil durchaus etwas kürzer hätten ausfallen können, gingen die Sprecher mit großem Einfühlungsvermögen zu Werke. Herausragend war vor allem Zenzi Huber.

Ganz am Ende stand eine schöne Geste: In einer Filmsequenz ist zu sehen, wie fünfzehn junge Menschen auf dem Stahnsdorfer Friedhof Vergissmeinnichtsträuße niederlegen. Für den überaus engagierten Abend zeichnen die Theaterpädagoginnen Manuela Gerlach und Kerstin Gnielka verantwortlich, die wirkungsvoll von Katrin Erhardt (Bühne und Kostüme) unterstützt wurden. Langanhaltender herzlicher Beifall war verdienter Lohn für alle Beteiligten.

Astrid Priebs-Tröger

Nächste Vorstellungen am 9. und 10. Mai, jeweils 19.30 Uhr, Bühne Zimmerstraße. Begleitend zur Aufführung gibt es eine Ausstellung über Hans Otto: eine Dauerleihgabe des Dresdner Vereins „Kleine Freiheit“, im Foyer des Theaters zu sehen. Die Produktion des HOT-Theaterjugendclubs ist eingeladen zum Festival der Jugendclubs an Berliner Bühnen „Klubszene“, das vom 12. bis 14. Mai im Theater an der Parkaue stattfindet.

Astrid Priebs-Tröger

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