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Kultur: Warten auf Regen

Irakisch-deutsche Uraufführung hatte Premiere

Zuerst einmal wurde nicht auf den Regen, sondern auf den Kulturminister der kurdischen Region des Iraks gewartet. Als dieser eingetroffen war, begann am Donnerstagabend eine außergewöhnliche Vorstellung in der Reithalle A. Irakische und deutsche Schauspieler brachten mehrsprachig das irakische Stück „Warten auf Regen“ von Mithal Ghazi nach Motiven von Samuel Becketts „Warten auf Godot“ unter der Regie von Ihsan Othmann zur Uraufführung.

Becketts Vorlage liefert die Grundkonstellation, die aus den 50er Jahren in die Gegenwart „übertragen“ wurde. Wieder warten Menschen auf ihre „Erlösung“. Ein arabischer (Haytham A. Ali) und ein kurdischer Iraker (Moufaq Rushdie) irren schon tagelang durch die Wüste. Völlig erschöpft und unfähig, einen Ausweg zu finden, hoffen sie auf Zeichen und Wunder. Diese werden ihnen in Form eines gestrandeten Schiffes und eines erscheinenden Engels (Kaval Sdqi) gewährt. Das rettende Wasser ist jedoch nicht in Sicht. Stattdessen tauchen urplötzlich zwei Soldatinnen auf. Doch eine Verständigung zwischen ihnen ist nicht möglich. Nicht nur, weil sie fünf sehr verschiedene Sprachen sprechen.

Der ungewohnte Klanghintergrund ließ auch die Zuschauer in völlig fremde Welten tauchen. Und auch wenn man die deutschen Bedeutungen eingeblendet bekam, zog man es bald vor, sich hauptsächlich auf das Spiel der Protagonisten einzulassen. Denn die jeweiligen Beziehungen hatten es in sich. Die beiden Iraker – der eine Araber, der andere Kurde – können sich kaum miteinander verständigen. Sie finden weder einzeln noch gemeinsam einen Ausweg aus der lebensbedrohlichen Situation. Hoffen, Glauben, Wünschen und immer wieder Streiten statt Analysieren oder endlich Handeln. Das Stück liefert damit eine sehr plastische Beschreibung der inneren Befindlichkeiten des heutigen Irak. Haytham A. Ali und Moufaq Sdqi statten ihre Figuren mit einiger Larmoyanz, ziemlich viel Gutgläubigkeit, aber auch einer gehörigen Portion Witz und männlicher Überheblichkeit aus.

Fast gegensätzlich dazu erscheinen die zwei Frauen. In voller Kampfmontur und mit lautem englischen Kommandoton tritt die amerikanische Kommandantin (Antje Thiele) auf. Sie hat das Sagen – auch hier in der Wüste – und im Schlepptau eine mit Koffern bepackte und des eigenen Willens beraubte, dazu traumatisierte deutsche Söldnerin (Cornelia Werner). Ihr Herr-Knecht-Verhältnis hält im Stück einige sehr absurde Konstellationen bereit. Als die Iraker merken, dass die beiden Frauen verletzlich, hilfebedürftig, aber auch pragmatischer sind als sie selber, hoffen sie, dass diese ihre Probleme lösen können. Doch auch die Frauen suchen ihr Heil in der Flucht. Blind, erschöpft und buchstäblich im Kreis gelaufen treffen sie später wieder bei den irakischen Männern ein.

Was die parabelartige, manchmal etwas holzschnittartige Inszenierung als „Lösung“ anbietet, sollte man sich selber ansehen. Gelegenheit dazu besteht vom 28. bis 31. Oktober im Theaterhaus Berlin Mitte beim Festival „Iraqi theatre at home and away“, das bereits zum dritten Mal stattfindet. Vier Ensembles aus Deutschland, Holland, dem Nationaltheater Bagdad und dem Theater Erbil präsentieren dort unter vier verschiedenen Regisseuren ihre ganz eigene Version vom „Warten auf Regen“. In Potsdam wurde die gelungene Uraufführung jedenfalls mit herzlichem Beifall aufgenommen.Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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