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Kultur: Wanderungen durch Seelenlandschaften

Bilder von Suse Globisch-Ahlgrimm und Christina M. Wilsky in der „Galerie in der guten Stube“

Die Begeisterung, die Suse Globisch-Ahlgrimm bei ihren Schülern ausgelöst hat, klingt heute noch an, wenn Gisela Nommensen von ihrer ehemaligen Lehrerin erzählt. „Das war toll, wie sie uns beigebracht hat zu schauen und zu zeichnen“, sagt Nommensen. Nachdem sie die 2012 verstorbene Pädagogin Ahlgrimm schon als Kind in der Schule erlebt hatte, unternahm Nommensen später mit ihr und anderen verschiedene Gruppenreisen in die weiten Landschaften Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns. „Mit Lagerfeuer und eher spärlicher Ausstattung war das, aber die Stimmung war ausgelassen, wir waren glücklich“, erzählt Nommensen. Auch hier regte die Kunstlehrerin die mittlerweile Erwachsenen zum Zeichnen und zur künstlerischen Auseinandersetzung mit der Natur an. „Sie nannte uns Themen, zu denen wir etwas in der Landschaft finden konnten, wie Aufregung, Freude“, erinnert sich Nommensen.

Zwanzig Jahre lang unterrichtete Suse Globisch-Ahlgrimm an der Helmholtzschule, dem jetzigen Helmholtz-Gymnasium in Potsdam. Nachdem sie auf dem rechten Auge erblindete, wurde sie 1977 vorzeitig pensioniert und arbeitete fortan als Malerin und Grafikerin. Mit ihrem Ehemann Hubert Globisch teilte sie sich 21 Jahre lang Wohnung und Atelier. Die Werke des bereits vor ihr verstorbenen Globisch sind derzeit ebenfalls in Potsdam, im Café Matschke, zu sehen.

Suse Globisch-Ahlgrimm hinterließ bei ihrem Tod ein umfangreiches künstlerisches Werk, von dem nun ein Teil in der „Galerie in der guten Stube“ zu sehen ist. Zusammen mit den Arbeiten von Christina M. Wilsky versammelt die Ausstellung rund 40 kleinformatige Arbeiten, in denen das Besondere der unterschiedlichen künstlerischen Ansätze aufscheint, aber auch deutlich wird, was die beiden befreundeten Pädagoginnen verbindet. Es ist das Interesse für Landschaften und Innenlandschaften. Globisch-Ahlgrimm malte auch auf großer Leinwand, aber diese Arbeiten sind, wohl aus Platzgründen, in der Ausstellung ausgespart. Und so korrespondieren die Landschaftszeichnungen von Christina M. Wilsky mit den Innenansichten auf den Bildern von Suse Globisch-Ahlgrimm. Ergänzt werden die Skizzen und Collagen um ein Skizzenbuch, das Wilsky an Globisch sandte und von dieser begeistert rezipiert wurde, jedoch nicht einsehbar ist und um zwei Briefe.

Viele der Bilder von Globisch zeigen dunkel verhangene Ölmalerei auf Papier. Die Bilder sind erst spät entstanden, viele um 2010. Seit 2006 konnte Ahlgrimm, die 91 Jahre alt wurde, ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Die Bilder erscheinen wie Beobachtungen aus dem Fenster, auf die Ansicht, die sich ihr unmittelbar bot. „Es sind Blicke wie aus einer Grotte heraus oder in eine hinein, es sind Reisen in das Ich“, erklärt Thomas Kumlehn vom Potsdamer Kunstverein die meist mit wasserverdünnbarer Ölfarbe gemalten Arbeiten. „Die Landschaften und weiten Ansichten waren in ihr, sie hat sie dann nur noch zu Papier gebracht“, beschreibt Wilsky den Arbeitsprozess ihrer Kollegin und Freundin. Gelegentlich tauchen Lichter und Helligkeiten in den dunklen Blättern auf. Die Lichter seien wie das Auftauchen funkelnder Edelsteine, schildert Kumlehn seinen Eindruck beim Betrachten der Arbeiten Ahlgrimm-Globischs.

Christina M. Wilsky setzt dagegen mit ihren hellen Arbeiten einen Kontrapunkt. Ihre Landschaftsskizzen entstanden bei Wanderungen durch Felder und Wiesen. Mit der Frottage-Technik, für die sich schon Max Ernst begeisterte, nimmt sie Strukturen von Steinen und Hölzern auf. Es entstehen Grafiken, die zur weiteren Bearbeitung einladen und die Fantasie des Betrachters animieren. „Märkisches Land“, „Im Bruch“, „Augenblick“ lauten die Titel der Blätter und sie lassen die Weite der märkischen Landschaft erahnen und die Freiheit, die Wilsky bei ihren Wanderungen über die Felder erfährt. Durch experimentelle Mischungen von Frottage, Kreide und Grafit gelingen ihr interessante Schichtungen und Tiefenräume, die mit ihrem kleinen Format unspektakulär wirken, aber doch eine verinnerlichte Konzentration in der künstlerischen Schilderung erfahrbar machen.

Vieles ist nur zu erahnen: ein Baum, ein Flussverlauf, ein Blatt, eine Kaffeetasse. In Schemen und Andeutungen zeigt sich eine Realität, die sich niemandem aufdrängt, aber die Ruhe und die Hingabe an das Motiv erkennen lässt, mit der die Zeichnerin sich auf den Gegenstand oder die Landschaft eingelassen hat. Mit so lichtem Strich zu zeichnen, die Wirklichkeit mit Andeutungen, mit ihren Möglichkeiten zu erfassen, ohne sie jedoch festzulegen, erfordert eine hohe Sensibilität der Künstlerin. Wilsky macht dem Zuschauer Vorschläge, in ihren aus der Anschauung imaginierten Bilderwelten zu wandern. Niemandem wird eine bestimmte Sicht oder ein bestimmter Inhalt aufgezwungen. Und die Möglichkeit, die Andeutung, das ist eine Kunst, die nicht illustrieren, sondern zum Verweilen einladen möchte und eine Ausflucht aus dem hektischen Alltagsgetriebe bietet. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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