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„Warsha“ erzählt von einem Syrer, der in Beirut auf einem Kran sein Glück findet.

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Vorschau auf das Studierendenfestival Sehsüchte: Freiheit in jeder Form

Die 51. Ausgabe der Sehsüchte zeigt 140 Filme aus 40 Ländern – und erzählt unter dem Motto „Glanz“ von Versuchen, auszubrechen.

Potsdam - Zum 50. Geburtstag hatten die Sehsüchte die Flamme im Logo neu entzündet, der 51. soll jetzt ganz im Zeichen ihrer Strahlkraft stehen. „ignite“ war das Motto im Jubiläumsjahr. Jetzt lautet es: „radiance“ (Glanz). Nach zwei Ausgaben in hybrider Form ist das Studierendenfestival also wieder an seinem Ausgangspunkt angekommen: Vom 20. bis 24. April werden Filme aus aller Welt auf dem Gelände der Filmuni, im Thalia-Kino und im Filmmuseum gezeigt. In Präsenz, ausschließlich.

„Nachdem wir uns zwei Jahre vor Ort kaum gesehen haben, war die Sehnsucht nach der persönlichen Begegnung groß“, sagt Sara Rauschning aus dem Festivalteam. „Ja, die Studierenden sind coronamüde“ – aber jetzt umso motivierter bei der Sache. Die Entscheidung für Präsenz war daher leicht. Ausnahme ist die Preisverleihung: Sie kann man auch online verfolgen.

53 Studierende an der Organisation beteiligt

Erstmals seit Pandemiebeginn werden wieder nicht nur Filme, sondern auch Gäste aus aller Welt eingeladen. An der Selbstorganisation des Festivals beteiligt sind in diesem Jahr 53 Studierende. Das Team findet sich Jahr für Jahr neu zusammen und setzt je einen eigenen Schwerpunkt. 2022 lautet der: Diversität. Dem Thema wurde ein eigenes Ressort gewidmet, das auf Diversität im Programm achten sollte. Es wird einen Workshop zu Barrierefreiheit im Film geben, und erstmals am 22. April einen ganzen Filmblock auch für Gehörlose – darauf ist das Team stolz.

Ein Teil des Organisationsteams, darunter auch Sara Rauschning (2.v.r.).
Ein Teil des Organisationsteams, darunter auch Sara Rauschning (2.v.r.).

© Andreas Klaer

Das Vorab-Interesse am Festival war groß, abzulesen an der Zahl der Einsendungen: 900 aus 27 Ländern gab es allein für das Hauptprogramm. Dazu gehören die Wettbewerbe um den besten Spielfilm, den besten Animationsfilm und den besten Dokfilm. Insgesamt werden neun Preise verliehen, darunter auch die beste Produktion, das beste Drehbuch, der beste Pitch sowie die besten Filme für Kinder und Jugendliche. Zusätzlich zu den Wettbewerbsbeiträgen untersucht die Retrospektive „Mischlicht“ Formen von Zensur – darunter DDR-Filme, die verboten wurden. 

Mammutprogramm an vier Tagen

Thomas Heises „Wozu denn über diese Leute einen Film?“ aus dem Jahr 1980 etwa, Peter Heinrichs „Zöglinge“ aus dem Jahr 1974 oder Gerd Willes „Montagebrüder“ über Arbeiter an der Erdgastrasse Nordlicht von 1973. Und in der Sektion „Showcase“ sind Filme einer jährlich wechselnden Partneruniversität der Filmuni zu sehen: In diesem Jahr ist das die North Carolina School of the Arts.

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Zusammen ergibt das ein Mammutprogramm von 140 Filmen aus über 40 Ländern an vier Tagen. Hat sich das Coronavirus, der große Bremser der letzten Jahre, denn eingeschrieben ins Programm? Fragt man das Team nach bestimmenden Themen fallen als erstes die Stichworte „Intimität“, „Beziehungen“ und „soziale Konflikte“, auch um das Aufbrechen von Geschlechterrollen sei es in vielen Filme gegangen. „Und trotzdem“, sagt Antonia Matthes aus dem Team für das Hauptprogramm, „war an vielen Stellen auch der Wunsch zu spüren, sich aus dem kleinen, coronabedingt beschränkten Rahmen herauszubewegen. Wir haben auch viele große, aufwendige Produktionen dabei.“

Was die Zuschauerinnen und Zuschauer erwartet

Eine von ihnen ist „Warsha“, nominiert als bester Kurzfilm. Der Film von Dania Bdeir gibt Einblick in die Geschichte von Mohammad, einem syrischen Flüchtling, der in Beirut auf dem Bau arbeitet. Als er gefragt wird, ob er es wagen will, den höchsten, gefährlichsten aller Kräne zu bedienen, sagt er zu. Mit zitternden Händen erklimmt er das rostige Gerät in windiger Höhe. 

Oben angekommen, kippt der Film von einem kritischen Gesellschaftsporträt formell um in schwindelerregende Traumsequenzen von radikaler Subjektivität. Mohammad steckt sich eine Zigarette an, stellt das Radio laut, beginnt mit den Händen zu tanzen – und schwebt plötzlich als feuerrote Dragqueen über der Stadt, ein Akrobat, ein exotischer Feuervogel hoch über der Silhouette Beiruts. Unverhofft, ermutigend, erhebend.

Von einer Befreiung anderer Art erzählt, stilistisch ganz anders, der Animationsfilm „König“ von Alexander Conrads. Hier geht es um Sebastian, der aus dem Off von seiner Spielsucht erzählt, vom ersten, harmlosen Kontakt mit Spielautomaten über die Isolation bis hin zur völligen Verschuldung und Suizidgedanken. Auf der Leinwand ist Sebastian ein Braunbär zwischen Menschen. Am Ende trifft er auf andere wilde Tiere in einer Beratungsgruppe und der Himmel über ihm ist von schönstem Blau. 

"Fru-Fru" untersucht, wie sich das Kind einer Erdbeere und einer Ananas fühlt.
"Fru-Fru" untersucht, wie sich das Kind einer Erdbeere und einer Ananas fühlt.

© promo

Die Argentinierin Paloma Orlandini Castro erzählt in „Ob Scena“ von der Lust an Pornofilmen, die sich von binären Geschlechterrollen und Hetereosex befreit haben. Und der Kinderfilm „Fru-Fru!“ ermutigt Kinder verschieden aussehender Eltern (im Film eine Erdbeere und eine Ananas), sich von jeglichem Zuordnungszwang zu lösen – und einfach zu sein, wer man eben ist.

Um Freiheit geht es auch Iryna Riabenka in „Heller Weg“. Der Dokumentarfilm berichtet von dem ukrainischen Journalisten Stanislav Aseyey, der 2014 über die Machtübernahme seiner Heimatstadt Donezk durch Separatisten schrieb und dafür zwei Jahre lang im Gefängnis saß. Der 2021 gedrehte Film ist am Freitag im Thalia-Kino zu sehen. Der Erlös wird für die Ukraine gespendet.

Infos und Tickets: www.sehsuechte.de

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