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Kultur: Vorfreude, schönste Freude ...

Zum ersten Mal „Lebendiger Adventskalender“ in der Brandenburger Vorstadt

Fast hundert Leute haben sich an diesem Nachmittag in der Carl-von-Ossietzky-Straße vor einem Fenster im Erdgeschoss versammelt. Gespannt warten sie, mit den Jüngsten auf den Schultern, darauf, dass dort, wo die leuchtende 16 hängt, etwas passiert. Punkt halb sechs geht es los. Diesmal gibt es ein ganz bezauberndes Schwarzlichttheater. An anderen Tagen wird gemeinsam gesungen. Oder es ist am 19. ein echter Räuchermann zu sehen. Der sitzt überlebensgroß auf einer Balkonbrüstung im vierten Stock und bläst bald dicke Rauchwolken in die eisige Winterluft. Dazu gibt es dann noch das Lied von den „16 Butterstollen, lang wie eine Ofenbank“ zu hören. In erzgebirgischer Mundart – versteht sich.

„Vorfreude, schönste Freude, Freude im Advent“. Das sind die ersten Zeilen eines bekannten Liedes der Vorweihnachtszeit, deren Text die Potsdamerin Erika Engel-Wojahn verfasst hat. Sie drücken genau das aus, was seit mehr als drei Wochen in der Brandenburger Vorstadt jeden Nachmittag stattfindet. Denn dort wird seit dem 1. Dezember jeweils ein neues Fenster geöffnet. Aber nicht etwa das eines traditionellen Adventskalenders, der sich an einem festen Ort befindet und im Hintergrund kleine Bildchen oder süße Überraschungen bietet. Die Fenster dieses Kalenders befinden sich in echten Wohnhäusern und diese wiederum in verschiedenen Straßenzügen dieses Potsdamer Wohngebietes.

Die Künstlerin Annette Paul hat die originelle Idee vor fünf Jahren in der Dresdner Neustadt zum ersten Mal erfolgreich initiiert und ausprobiert. Und als sie nach Potsdam zog, versuchte sie, das Projekt auch hier zu etablieren. Das gelang nicht auf Anhieb, doch als sie sich in diesem Jahr an die Initiatoren der Elterninitiative „Westkurve“ wandte, fand sie viele Verbündete. Es meldeten sich Künstler, Musiker, Geschäftsinhaber und Privatpersonen, die an der gemeinschaftlichen vorweihnachtlichen Aktion teilnehmen und ihren ganz persönlichen Beitrag leisten wollten. Denn darum ging es. Jeder Teilnehmende sollte sich eine kurze kulturelle Darbietung ausdenken und diese ein paar Minuten lang den Zuschauern auf der Straße präsentieren.

Bevor es losgeht, ertönt jedes Mal eine kleine Melodie. Die „Zuckerfee“ aus Tschaikowskis „Nussknacker“. Den meisten besser bekannt als Erkennungsmelodie aus der früher beliebten Rumpelkammer-Sendung von Willi Schwabe. Denn auch an den verschiedenen Fenstern ist jedes Mal die Überraschung groß. An einem der Adventstage werden die Wartenden allerdings in den Hof des Hauses in der Clara-Zetkin-Straße gebeten und unter einer mit Naschwerk aus anderen Ländern liebevoll geschmückten Tanne wird bald gemeinsam zur Gitarre gesungen. Die 8-jährige Ildiko trägt außerdem völlig unbefangen Gedichte und Geschichten vor. Eine heißt „Wann fängt Weihnachten an?“ Sie bringt auch auf den Punkt, was neben der Vorfreude die besondere Weihnachtsstimmung ausmacht: Still werden und zur Besinnung kommen, mit anderen solidarisch und zueinander herzlich sein.

Die wenigen Momente an den erleuchteten Fenstern lassen diese Vision immer wieder aufscheinen. Zum Abschluss der diesjährigen Aktion, die hoffentlich Nachahmer finden und in Potsdam-West zur Tradition wird, sind noch zwei weitere Höhepunkte geplant. Am 4. Advent lädt die Malerin Heike Isenmann in ihr Atelier zum Singen und Geschichtenerzählen mit anderen Künstlern ein. Und am Heiligen Abend, dann bereits um 13 Uhr, wird Annette Paul, die Bildhauerin ist, mithilfe selbstgeschaffener Figuren die Weihnachtsgeschichte in ihrer eigenen Version erzählen. Treffpunkt ist das Schaufenster des „Labsal“ in der Geschwister-Scholl-Straße.

Astrid Priebs-Tröger

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