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Kultur: Vor der Kamera selbst zum Objekt

Ausstellung von und Film über Antoinette in der Villa Kellermann

Einer sitzt der Künstlerin in ihrem Kreuzberger Atelier Modell, rustikale Gestalt, Pfeifenraucher, prominent. Sie steht an der überlebensgroßen Vorlage – Pappe/Papier – und entwirft sein Bild, während man über Gesellschaft und Matriarchat parliert. Es sei erwiesen, sagt sie, dass Männerwirtschaft und Krieg in einem direkten Verhältnis stünden. Soo? antwortet er, und wundert sich.

Diese Szene zwischen der 1957 in Dresden geborenen Malerin Antoinette und ihrem Modell Egon Bahr war Teil eines interessanten Dokumentarfilmes, den Claus Krüger vor sehr viel Publikum erstmals in der Villa Kellermann präsentierte. Im ganzen Haus hängen ihre Arbeiten, meist dem im Jahre 2000 erdachten „Berliner Sittengemälde“ zugehörige Porträts, aber auch kleine Formate (präsentiert durch Kunst-Kontor Friederike Sehmsdorf). Der Filmemacher war mit seiner Videokamera dabei, als Günter Bersch sie zu Werk und Ästhetik befragte. Die Künstlerin, die im Leben lebendiger erscheint als auf ihren eigenen Konterfeis, gab auch ehrliche Antwort, klug, behutsam, bedacht. Da es sich aber um eine Filmpremiere handelte, stellte sie zuerst einmal Claus Krüger vor, Jahrgang 37, seit 40 Jahren Dokumentarfilmer, „inzwischen ziemlich berühmt“. Bevor ihn Künstlerporträts zu interessieren begannen, drehte er „viele Reisefilme“, und machte dabei die ganze Entfaltung der Technik von Super 8 bis zur digitalen Bildaufzeichnung mit.

„Erwarten Sie nicht zu viel von mir“, bat er das vielköpfige Publikum vorweg, „doch, doch!“ antwortete dieses heiter im Chor. Sein Opus über die „zwischen Expressivität und Sachlichkeit“ vermuteten „magisch-surrealen Farbwelten“ der Antoinette hat so viel Apartes, wie die Malerin selbst von sich preisgibt. Er folgt ihren Aussagen leise, behutsam, und fängt zugleich die gesprächigen Modelle in Arbeitssituationen ein. Wie sie andere malt, so wird sie nun vor der Kamera selbst zum Objekt, und was sie erzählt, überzeugt: Die Umtriebigkeit ihrer Vita von Dresden über die Leipziger Schule und eine uckermärkische Wassermühle (wo sie eine alternative Kulturszene aufbaute) bis nach Berlin, die Arbeit an großflächigen Wandbildern, etwa zur Namenspatronin unseres Kontinents im hessischen Gladenbach, die Idee, aus 100 Einzelporträts ein „Berliner Sittengemälde“ mit unverwechselbaren Gegenwartszügen zu schaffen, schließlich ihre Versuche in Porträt-Plastik und Keramik.

Was inzwischen auf über 120 Berlin-Pastelle angewachsen ist, hält sie für „das Bedeutendste“ ihres Werkes. Sie ist fasziniert von Berlin, von seinen Gesichtern, von den Haltungen ihrer Modelle, die sie mit Sorgfalt ergründet und „gnadenlos mitfühlend“ zeichnet, manchmal auch überzeichnet, so dass man ihr nicht ganz unberechtigt einen Hang zum Karikieren nachsagt. Jedes für sich sei „einsam“, aber alle zusammen sind es nicht mehr, sagt die charmante, zierliche Frau im Film. Schon mit 16 wollte sie zum malenden „Tempel der Heiligen“ gehören, heute hängen 80 dieser Pastelle in den Galerien Berlins, neben Bahr auch Regine Hildebrandt, welche ihr Abbild nicht mehr sah; auch Walter Momper – bei der Premiere präsent – gehört zu ihren Bewunderern. Stets gibt sie ihren dunkel wirkenden Darstellungen verfremdende Utensilien mit, Zwirnsspule, Vase, Spielzeug – denn „die Vielschichtigkeit der Poesie liegt im Konkreten“. Es wäre schön, wenn der Film während der Ausstellung wieder gezeigt werden könnte. Gerold Paul

Bis 2. Juli, Villa Kellermann, Mangerstraße

Gerold Paul

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