zum Hauptinhalt

Kultur: „Von wegen als Künstler brennen“

Schauspielerin Lisa Jopt über das Treffen des Ensemble-Netzwerks und anstehende Aufgaben „Ich habe keine Lust, unter Stress Kunst zu machen“

Frau Jopt, im vergangenen Jahr fand das erste Treffen Ihres Ensemble-Netzwerkes in Bonn statt. Warum kommen Sie dieses Mal nach Potsdam?

Wir haben in der Intendantengruppe gefragt, wer Kapazitäten hat, das bundesweite Ensembletreffen auszurichten und Tobias Wellemeyer, mit dem wir vorher schon in gutem Kontakt standen, hat zugesagt.

Steht der Intendant des Hans Otto Theaters in Ihren Augen für gutes Netzwerken und für gute Ensemblepolitik?

Ja, so ich das beurteilen kann. Wir stehen mit Tobias Wellemeyer in einem unverbindlichen Austausch seit bald einem Dreivierteljahr und treffen uns regelmäßig mit ihm, tauschen uns aus über Gagen, über transparentere Produktionsbedingungen, sozialen Schutz, Kommunikationswerkzeuge innerhalb des Betriebes und Kulturpolitik. Wir stoßen bei allen Themen, die uns wichtig sind, auf offene Ohren.

Was wollen Sie mit Ihrem Netzwerk und den Treffen erreichen?

Im vergangenen Jahr ging es erst mal darum, dass wir uns überhaupt treffen. Ein Treffen gab es bis dahin noch nie. Wir haben ein paar Themen mitgebracht, Gage ist natürlich ein Thema. Und es ist nicht so, dass wir innerhalb eines Jahres alle Probleme gelöst hätten. Wir haben ein Papier zum „Schutz der Ensemblevertretung“ herausgegeben.

Was steht darin?

Zurzeit sind Ensemblevertreter noch nicht vor Nicht-Verlängerung ihres Vertrages geschützt. Wir möchten, dass ein, am besten zwei Ensemblevertreter während ihrer Amtszeit wissen, dass sie sich für ihr Ensemble einsetzen können und nicht damit rechnen müssen, dass „aus künstlerischen Gründen“ ihr Vertrag nicht verlängert wird.

Darum ging es ja unter anderem in der Kritik an Tobias Wellemeyer im vergangenen Jahr. Eine Art Betriebsrat für das Ensemble soll also per Papier Schutz erhalten?

Das System hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die meisten Leute unheimlich Angst haben und unsicher sind, meckern und überhaupt nicht mehr daran glauben, dass sich etwas verändert und verändern lässt. Wir haben in unserem Theater in Oldenburg erfahren, dass man es mit einer flach-hierarchischen Kommunikation mit unserer Leitung eben doch kann.

Was sind weitere brennende Themen?

Ein „burning issue“ ist auch, samstags oder montags probenfrei zu haben. Denn wir stehen ja quasi immer auf’m Brett. Daran schließt sich die Frage: Warum produzieren wir so wahnsinnig viel? Warum sind wir so atemlos?

Da geht es dann in die direkte Auseinandersetzung mit den Intendanten?

Wir gehen ja davon aus, dass alle Theatermacher in Deutschland eine Familie sind, weil wir alle das Gleiche wollen: sehr gutes Theater. Wenn wir uns als eine Art Monteure betrachten, die drei Jahre hier, drei Jahre da sind, manche unkündbar, dann sollte das einfach sehr gut ausgestattet werden, finanziell und mit sozialem Schutz. Im Prinzip mit ganz normalen Arbeitnehmerrechten. Derzeit haben wir noch ganz viel mit Theaterfolklore zu kämpfen.

Was meinen Sie mit Theaterfolklore?

Diese Sachen, die man sich erzählt: „Als Künstler musst du brennen.“ „Das ist halt so am Theater.“ Es werden sich immer wieder Horrorgeschichten – unter welchem Intendanten es besonders schlimm war – weitererzählt. Aber wir sind eine andere Generation. Ich habe gar keine Lust, unter Druck und Stress Kunst zu machen. Wir möchten sehr gutes Theater unter sehr guten Bedingungen.

Was hat sich denn seit dem ersten Treffen bewegt?

An mehreren Theatern in Deutschland sind die Proben an den Samstagen extrem reduziert worden, was den Schauspielern unheimlich gut tut. Am Schauspielhaus Bochum wird während der Interimsintendanz von Olaf Kröck komplett auf Samstagsproben verzichtet. Sogar in der Endprobenzeit, wenn wir normalerweise die Bühnenproben haben. Bochum ist absoluter Spitzenreiter mit dem neuen Experiment. In Hannover und Bremen wird auch versucht, samstags nicht zu proben. Noch vor einem Jahr behaupteten alle, dass das nicht geht, weil dann der Laden zusammenbricht. Und auf einmal gibt es ganz viele Leute, die sagen: Warum soll das denn nicht gehen?

Was haben Sie in der Frage der Bezahlung erreicht?

In Oldenburg haben wir erreicht, dass nicht mehr Mindestgage gezahlt wird, sondern mindestens 2000 Euro.

Wie viel waren es denn vorher?

Wir haben eine Mindestgage von 1850 Euro, brutto.

Bei einer 40-Stunden-Woche?

Nein, bei 48 Stunden. Wir haben nur eine Ruhezeit, die gesetzlich festgelegt ist. Es passiert locker, dass du deinen Text in der Freizeit lernst. Acht Stunden Anwesenheitspflicht, zweigeteilten Probendienst. Den Text lernst du davor oder dazwischen. Das ist zu viel. So können Künstler nicht arbeiten. Oldenburg ist jetzt bei 2000 Euro, Oberhausen bei 2300 Euro Mindestgage. Und alle Frauen werden gleich bezahlt. Das ist der erste Intendant, der sagt, bei mir sind Frauen und Männer gleich. Das sind ganz tolle Zeichen, die mit einer besseren Vergütung und einer besseren betriebsinternen Organisation zu tun haben, die es ohne uns nicht geben würde.

Wie ist die Resonanz auf das diesjährige Treffen?

Die ist sehr groß. Es kommen auch mehr Intendanten als letztes Mal. Es kommt der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Ulrich Kuhon, als Redner, und der Geschäftsführende Direktor, Markus Grandmontagne. Es kommen Schauspieler Sebastian Rudolph vom Thalia Theater Hamburg und Hasko Weber als Vertreter der Intendantengruppe.

Mit dem Ensemble-Netzwerk haben Sie erste Erfahrungen im politischen Betrieb gesammelt. Hat Sie das eher ernüchtert?

Gar nicht. Vielleicht weil wir Schauspieler und vielleicht etwas Besonderes sind, Exoten. Ich bin nur auf offene Ohren gestoßen. Die niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Frau Heinen-Kljajic, wollte uns treffen, wir waren zweimal im Bundestag von den Grünen eingeladen. Wir haben genau das Gegenteil erfahren – dass das absolut das Thema der Stunde ist. Demokratie ist eine feine Sache. Die müssen wir aber auch schützen. Es gibt Werkzeuge, wie wir Demokratie benutzen können – indem man nämlich seine Abgeordneten anspricht, was die Probleme sind. Es gibt nicht dieses Wir-da-Unten und Ihr-da-Oben. Wir können Dinge bewegen und ändern. Seitdem ich das weiß, glaube ich an den anderen Käse nicht mehr.

Das Gespräch führte Grit Weirauch

Die Abschlussrunde der Versammlung des Ensemble-Netzwerkes am Sonntag um 14 Uhr in der Reithalle des Hans Otto Theaters ist öffentlich

Lisa Jopt, 1982 in Siegen geboren, ist Mitgründerin und Vorsitzende des Ensemble-Netzwerkes. Sie studierte Schauspiel in Leipzig und ist derzeit am Theater in Oldenburg engagiert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false