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Von Undine Zimmer: Was wird aus dem Tanzplan Potsdam?

Heute beginnt die fünfte Werkschau / Donnerstag diskutieren Künstler und Politiker, ob eine weitere Förderung möglich ist

Wie sieht es eigentlich aus, wenn Tänzer und Choreographen forschen? Sitzen sie dann in Trainingsanzügen über philosophischen Büchern und fertigen anatomische Zeichnungen ihrer Handbewegung an? Nicht ganz. Aber so ähnlich kann es schon ablaufen, sagt Ulrike Melzwig, künstlerische Leiterin in der „fabrik“, dem Potsdamer Zentrum für Tanz- und Bewegungskunst. Manche Tänzer forschen im Trainingsraum, andere beobachten, lesen und diskutieren.

Vom heutigen Dienstag an bis zum Sonntag, dem 3. Oktober, kann man in der fünften Werkschau Tanzplan Potsdam die Ergebnisse eines solchen tänzerischen Forschungsprozesses anschauen. Vielleicht zum letzten Mal. Denn die Förderung für das „Artist in Residence“-Programm, das von vornherein auf fünf Jahre beschränkt war, läuft dieses Jahr aus.

„Die jährlich 140 000 Euro Unterstützung der Bundeskulturstiftung werden auf jeden Fall wegfallen“, sagt Ulrike Melzwig. Doch gerade mit dem „Artist in Residence“-Programm, auch Tanzplan Potsdam genannt, hat sich die „fabrik“ auch als Standort auf der Landkarte des modernen Tanzes verortet. Dieses Jahr gingen allein 350 Bewerbungen von Tänzern aus aller Welt ein. Auf die Frage, wie dies in Zukunft ohne die Förderung zu realisieren sei, hat Ulrike Melzwig noch keine Antwort. Wenn überhaupt, könnte das Projekt nur in viel kleinerem Rahmen weitergeführt werden. Wie, das hängt von den vorhandenen Mitteln ab.

Seit 2006 wurden Künstler für vier bis zehn Wochen nach Potsdam eingeladen. Durch „Artists in Residence“ ist es gelungen, den zeitgenössischen Tanz auf internationalem Niveau weiterzuentwickeln. Mit dem Ende der Förderung wird es in Zukunft schwieriger, hochkarätige Produktionen in die „fabrik“ zu holen, so Ulrike Melzwig. Das Besondere am Tanzplan ist, dass die Tänzer ohne Zeitdruck an ihren Ideen arbeiten können. Ausgewählte Produktionen werden jedes Jahr im Anschluss an den Stipendienaufenthalt in der Werkschau präsentiert.

In vielen Projekten der heute beginnenden Werkschau geht es darum, die Wahrnehmung und Erwartungshaltung der Zuschauer zu verwirren, um sie dann für Neues zu schärfen. Die Hamburgerin Lucia Glass zum Beispiel versucht in ihrer Performance „The Sound of it“ Hören und Sehen voneinander zu trennen. Das klingt zunächst simpel. Das Publikum bekommt Kopfhörer aufgesetzt. Nur durch das Gehörte soll der Eindruck entstehen, dass neben dem Zuschauer jemand steht, sich bewegt, tanzt. Und es wird dann eine ganz persönliche Erfahrung sein, wie es sich anfühlt, wenn sich vor den Augen etwas abspielt, das nicht mit dem Ablauf, der durch das Hören im Kopf entstanden ist, konform geht.

Für die internationale Tanzszene seien Programme wie „Artist in Residence“, die auch solche Experimente wie „The Sound of it“ von Lucia Glass ermöglichen, überlebenswichtig, sagt Ulrike Melzwig. Man kann sie auch als Qualitätssicherung des Modernen Tanzes verstehen. „Ein Künstler, der nur vier Wochen hat und dann ein fertiges Stück präsentieren muss, hat keine Zeit, sich weiterzuentwickeln. Er wird unweigerlich schon bekannte Bewegungsabläufe und Elemente verwenden müssen, um dem Druck standzuhalten. Darunter leidet dann auch das Publikum.“

Ulrike Melzwig ist der Meinung, dass Tanzförderung allgemein mehr diskutiert werden müsste. Das sei auch eine politische Entscheidung. Um das Thema auch in Potsdam noch mal auf den Tisch zu bringen, wird am Donnerstag in der „fabrik“ eine Diskussion unter dem Motto „Tanzförderung – Strohfeuer oder Dauerbrenner“ stattfinden. Mit dabei sind künstlerische Leiter wie Luc Paqiuer des Bureau du Théatre et de la Danse und Pirkko Husemann vom Hebbel am Ufer in Berlin sowie Vertreter der Kulturpolitik wie Martin Gorholt, Staatssekretär im Brandenburgischen Kulturministerium und Bettina Milz vom Kulturamt Nordrhein-Westfalen.

Manche der Tänzer haben während ihres Aufenthalts für „Artist in Residence“ regelrecht Sozialstudien in der Potsdamer Innenstadt unternommen, aus denen anschließend eine Choreographie entstanden ist. So hat Kate McIntosh aus Brüssel Menschen auf der Straße beobachtet. Was dabei herauskam, kann man am Samstag um 19.30 Uhr in der „fabrik“ selbst beurteilen und vielleicht sogar feststellen, dass Tanzen manchmal doch wie Forschen ist.

Die Werkschau Tanzplan Potsdam wird am heutigen Dienstag, 19.30 Uhr, in der „fabrik“ in der Schiffbauergasse mit Diego Gil und Igor Dobricic „The Half“ eröffnet. Diskussion über „Tanzförderung – Strohfeuer oder Dauerbrenner“ im Café der „fabrik“. Weitere Informationen und das vollständige Programm unter Tel.: (0331) 28 00 314 oder im Internet www.fabrikpotsdam.de

, ine Zimmer

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