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Der Autor Ferdinand von Schirach

© dpa

Von Schirach, Kluge und Corona: Feste Anker

„Trotzdem“: Ferdinand von Schirach und Alexander Kluge im Gespräch über die Coronakrise.

Es war am 30. März, als sich Alexander Kluge und Ferdinand von Schirach unterhalten haben, mitten im Lockdown, digital, versteht sich, über die Pandemie, versteht sich ebenfalls. Und da stellt sich sofort die Frage, wie haltbar das Ganze ist? Ob die Lockerungen, die Demonstrationen gegen die Maßnahmen, die Zeit, die gefährlich wabernden Verschwörungstheorien dieses Pandemie-Gespräch nicht überholt haben? Die Antwort: nein, kaum. Das eine oder andere ist landauf, landab erschöpfend diskutiert worden, und trotzdem lohnt die Lektüre von "Trotzdem" (Luchterhand Literaturverlag, München 2020.75 S., 8 €.), gerade des zweiten Teils.

Voltaire und Rousseau sind auch dabei

Vom inzwischen länglich herbeizitierten „Decamerone“ gelangen Kluge und von Schirach zum Erdbeben 1755 in Lissabon, diskutieren mit Voltaire und Rousseau, was die Natur vermag und was der Mensch, mit Thomas Hobbes und David Hume, was der Mensch überhaupt für ein Wesen ist, was ihn ausmacht. Es geht um Sicherheit, um Freiheit und was die meisten Menschen am Ende bevorzugen (die Sicherheit, sind sie überzeugt), auch vor dem Hintergrund, dass bis dato fast alle Gesellschaften die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ohne Murren und klaglos hingenommen haben. Doch von  Schirach warnt an diesem 30. März, dass es nicht zu lange dauern dürfe: „Autoritäre Strukturen können sich verfestigen, die Menschen gewöhnen sich daran.“

Schön sind die Abschweifungen

Schön ist, wenn beide abschweifen, privat werden, sich über Kindheitserlebnisse austauschen. Kluge spricht von „festen Ankern“ der Erinnerung, „da erzählt die Erinnerung sich selbst etwas“. Und von Schirach erzählt, wie er sich im Internat immer abgrenzte, wie er mitten drin sein und trotzdem auf Distanz gehen wollte, so wie das in Cafés und Bars am besten geht. Wie es weitergeht? Beide wissen es nicht, klar. „Aus der Seuche entsteht was Neues“, orakelt Kluge. Von Schirach sekundiert, möglich sei nun „das Strahlende und das Schreckliche“. Vermutlich wird es irgendwas dazwischen, und das könnte ja schon mal ganz beruhigend sein.

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