zum Hauptinhalt

Kultur: Von Odessa nach Istanbul

Eine Region im Umbruch: Ein Filmteam des rbb reiste rund ums Schwarze Meer

Urlaubsorte wie Sotschi, Varna und Nessebar hatten immer einen guten Klang, gerade in ostdeutschen Ohren. Diese beliebten Ferienregionen am Schwarzen Meer spiegeln jedoch nur einen kleinen Ausschnitt der vielfältigen und unterschiedlichen Kulturen der Anrainerstaaten dieses Binnenmeeres zwischen Osteuropa und Vorderasien. Im vergangenen Jahr hat sich ein rbb-Filmteam um Jens Stubenrauch vier Wochen lang auf den 3000 Kilometer langen Weg von der ukrainischen Küstenmetropole Odessa bis in die kosmopolitischste Millionenstadt der Türkei, nach Istanbul begeben, um diese, über die Ferienparadiese hinaus, eigentlich wenig bekannte Region am Rand Europas zu erkunden und um am alten Übergang vom Orient zum Okzident vor allem ganz unterschiedliche Menschen kennen zu lernen.

Es ist eine spannende und informative Reise in eine Region im Umbruch, die mit der Unabhängigkeit der ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken und der Diskussion um die EU-Aufnahme der Türkei immer mehr in das Blickfeld der gesamten europäischen Öffentlichkeit rückt. Sie führt von der Ukraine, über die autonome Halbinsel Krim in die russische Hafenstadt Noworossisk weiter in Richtung Georgien. Vorbei am Krisengebiet Abchasien, um schließlich die nahezu unbekannte schroffe türkische Schwarzmeerküste und die Stadt Trabzon zu erreichen. Von dort sind es dann noch 1000 Kilometer Küstenstraße durch subtropisches Klima mit sattgrüner Vegetation und faszinierender Bergwelt, bis hin zur berühmten Brücke über den Bosporus zurück auf den europäischen Kontinent.

Jens Stubenrauch trifft dabei immer wieder auf Menschen, „die zwischen den Zeiten leben“. Seien es Odessiten, die, wie der heute 30-jährige ehemalige Auswanderer Igor aus den USA inzwischen als neureiche Investoren in ihre alte Heimat zurückgekehrt sind oder Krimtartaren, die vor mehr als 60 Jahren unter Stalin nach Zentralasien deportiert wurden. Er bereist die Amüsierrepublik „KaZantip“ genauso wie die ehemalige „geschlossene Stadt“ Balaklawa, einen der geheimsten Orte der früheren Sowjetunion mit riesiger Atom-U-Boot-Flotte und gefährlichen „Kampfdelphinen“ in der Sewastopoler Bucht. Oder auch „Orlyonok“, das heute gigantischste Ferienlager der Welt, in dem sich zwar die altbekannten Symbole und Rituale kaum verändert haben, das Lenindenkmal inzwischen langsam aber sicher zerfällt.

Immer wieder geht die Reise durch Orte, die von Kriegen gezeichnet sind, sei es durch die vor mehr als sechs Jahrzehnten beendeten oder die immer noch schwelenden heutigen Konflikte. Der Film zeigt jedoch auch deutlich, was das Fallen des Eisernen Vorhangs beispielsweise für die Lhasen, eine moslemische Volksgruppe im Grenzgebiet zwischen Georgien und der Türkei bedeutet. Mit dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion zeichnete sich nicht nur im politischen Bereich ein Neubeginn ab. Nach über 80 Jahren Religionsfeindlichkeit suchen Ukrainer, Tartaren, Russen und Georgier neben ihrer wirtschaftlichen auch nach ihren religiösen Identität.

Die 75-minütige Reportage „Von Odessa nach Istanbul“ (Kamera: Michael Lösche), die heute abend erstmalig in der ARD ausgestrahlt wird, ist eine einprägsame Reise zu den Menschen am südöstlichen Rand Europas, zu ihrer reichen Vergangenheit und ihrer beeindruckenden Gegenwart und nicht zuletzt eine sensible Beschreibung der Berührungen zwischen christlicher und muslimischer Welt. Astrid Priebs-Tröger

Erstausstrahlung heute, 22.45 Uhr, in der ARD

Astrid Priebs-Tröger

Zur Startseite