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Ort der Ruhe und der Natur. Der Alte Friedhof Bornim.

©  Andreas Klaer

Von Klaus Büstrin: Wie in einem Garten

Lebensgeschichten auf dem Alten Friedhof Bornim / Ein ganz persönlicher Spaziergang

Ein Fall von Vandalismus gab den Ausschlag. Kurz nachdem die Engelsstatue auf dem Grab der Familie Joop in Bornstedt beschädigt wurde, machten sich die PNN auf die Suche nach dem Besonderen auf Potsdamer Friedhöfen und den Geschichten, die sie noch heute von den Menschen erzählen. Nach dem Bornstedter Friedhof (PNN vom 26. Juli) folgt nun der Alte Friedhof von Bornim.

Er ist übersichtlich. Wenn die Bäume und die Sträucher nicht wären, könnte man ihn zwar auf einen Blick wahrnehmen, doch das Schönste eines Friedhofs müsste man dabei entbehren: die Laub- und Nadelgehölze als Begleiter der Toten und Lebenden. Der Alte Friedhof von Bornim ist sogar einer, der am Rande des Katharinenholzes liegt, eines der schönsten Buchenwälder Potsdams. Die erste Beisetzung fand auf diesem Areal im Jahre 1875 statt. Hier haben die Familien des Ortes, Bauern und Handwerker, ihre letzte Ruhe gefunden. Nicht-Bornimer selten. Bei vielen der alten Begräbnisstätten, die von einem schmiedeeisernen Gitter gerahmt wurden, fehlt heute jedoch der Gedenkstein. Für Neubelegungen wird Platz geschaffen.

Im Jahre 1921 erhielt der Friedhof einen berühmten Toten: Wilhelm Foerster. Sein Sohn, der Gärtner, Staudenzüchter und Schriftsteller Karl Foerster, der am Raubfang vor 100 Jahren, also 1910, von Berlin-Westend nach Bornim zog, um hier eine Gärtnerei zu eröffnen, erwarb eine Grabstelle für seinen Vater. Als Astronom, Direktor der Königlichen Sternwarte Berlin und Mitbegründer der astronomischen Gesellschaft Urania galt Wilhelm Förster als prominente Persönlichkeit. Als kritischer Geist seiner Zeit war er nicht bei allen beliebt, besonders nicht bei den Oberen. So forderte eines Tages die höchste Generalität von Kaiser Wilhelm I. den Direktor der Sternwarte auf, sich dafür einzusetzen, dass das „Sternbild der Cassiopeia, welches bei einer bestimmten Lage zum Horizont durch die Gruppierung seiner hellsten Sterne nahezu ein lateinisches W darstelle, den Namen „Wilhelmsternbild“ erhalte. Doch Foerster lehnte ab. Den Spott auch anderer Länder würde er sich damit zuziehen, so seine Begründung.

Bei Karl, seinem zweiten Sohn von fünf Kindern, fand der Wissenschaftler im hohen Alter Wohnung. In Bornim starb Wilhelm Foerster mit 88 Jahren. Der Sohn schrieb über seinen Vater, dass er klein und gedrungen gewesen sei. „Seine Erscheinung trug den unverkennbaren Stempel eines modernen Gelehrten und Weltmanns und weckte durch leise Nebenerinnerungen an die Grazie des Rokoko und die Geschlossenheit antiker Dichter. Sein Händedruck war fest mit seidenweicher Hand und sein blauer Blick von unvergleichlich forschender Freundlichkeit.“

Auch Karl Foerster wurde auf dem Alten Friedhof an der Potsdamer Straße im Dezember 1970 zu Grabe getragen. Die Namen seiner Mutter Ina, gestorben 1908, seiner Frau Eva, gestorben 1996, sind ebenfalls auf dem Gedenkstein verzeichnet. Die Toten ruhen hier wie in einem farbigen Garten. Die Stauden Karl Foersters, die man pflanzte, wollen eine lebendige Erinnerung an den bedeutenden Gärtner geben.

Ein Hügel auf der Foerster-Familiengrabstätte ist noch frisch, keine Blume schmückt ihn und kein Stein hält bisher den Namen von Marianne Foerster fest. Sie, die selbst Gärtnerin und Bewahrerin des Erbes ihres Vaters war, starb am 30. März dieses Jahres. In „Der Garten meines Vaters“, so das Buch, das sie vor wenigen Jahren veröffentlichte, beschrieb sie ihre reichen Begegnungen und Erfahrungen mit dem Garten Karl Foersters, der schließlich der ihre wurde. Die schönsten Gartenwochen erlebte Marianne Foerster, wenn der Phlox blühte, in seinen so verschiedenen Farben. „In welchem Land auch immer ich war – Phloxduft bedeutete Bornim-Heimatduft. Von Ende Juni bis Anfang August erstreckt sich die Hauptblütezeit, kann sich jedoch durch kleine Tricks verlängern.“

Fast-Nachbarn im Leben waren Ruth Bork, gestorben 1990, und die Foersters. Jetzt im Tod sind sie ebenfalls Fast-Nachbarn. Die Grabstelle für die Historikerin ist nicht auf den ersten Blick zu sehen, da sie von einer hohen Lebensbaum-Hecke eingerahmt ist. Ruth Bork war keine Prominente á la Karl und Marianne Foerster, jedoch eine liebenswerte Zeitgenossin. Als Wissenschaftlerin oder als Mitglied des Gemeindekirchenrates Bornstedt hat sie still, ohne Aufsehen, doch immer mit Leidenschaft ihre Arbeit gemacht. Nicht nur Katzen und Hunde waren in ihrem Haus in der Amundsenstraße willkommen, sondern auch der große Freundeskreis. Die schönste Würdigung für sie schrieb die Schriftstellerin Sigrid Grabner in ihrer Autobiographie „Jahrgang 42“. „Sie war anders als alle Menschen, die ich kannte. Die gläubige evangelische Christin () hatte nichts von der selbstgerechten Frömmigkeit an sich, auf die ich seit Kindheitstagen aggressiv reagierte. Die Theologin und promovierte Historikerin glaubte mit einer Innigkeit an Gott, die mich tief bewegte. Durch ihr lebendiges Beispiel erschien mir das Christentum in einem neuen Licht.“ Im Hause Ruth Borks lernte Sigrid Grabner die politisch engagierte Emmi Bonhoeffer, die Frau des ermordeten Widerstandskämpfers gegen Hitler, Klaus Bonhoeffer, kennen. Diese Begegnungen und die Gespräche ermunterten die Schriftstellerin gemeinsam mit Hendrik Röder ein lesenswertes Buch über diese beeindruckende Frauengestalt zu veröffentlichen.

Albrecht Schönherr, ein Schüler des Theologen und Nazi-Gegners Dietrich Bonhoeffer, wurde im vergangenen Jahr auf dem Alten Friedhof zur letzten Ruhe gebettet. In den siebziger Jahren war er Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg sowie Vorsitzender des Bundes evangelischer Kirchen in der DDR. 1981 trat er aus Altersgründen von diesen Ämtern zurück. Schönherr war maßgeblich an der innerkirchlichen Verständigung auf die Formel „Kirche im Sozialismus“ („nicht gegen, nicht neben, sondern im Sozialismus“) beteiligt, die in Anlehnung an Bonhoeffer als „Kirche für andere“ interpretiert wurde. Sich auf die jeweilige Situation einzulassen, ihr aber mit Kritik begegnen und sie als Ort der christlichen Bewährung anzunehmen, dies gehörte zu Schönherrs Weg für die Kirchen in der damaligen DDR. In jungen Jahren war er Vikar an der Pfingstkirche in Potsdam. Schon damals hatte er enge Beziehungen zur Bekennenden Kirche, die sich gegen Versuche einer Gleichschaltung von Lehre und Organisation der Deutschen Evangelischen Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus gewehrt hatte.

Ein kleiner Friedhof am Waldesrand. In ihm wird Geschichte der vergangenen 130 Jahre lebendig.

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