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Von Klaus Büstrin: „Ich verlasse die Heimatstadt nicht“

100 Jahre Museum in Potsdam / Heute: Friedrich Bestehorn, der erste Direktor

Am 20. April feierten das Potsdam-Museum sowie das Naturkundemuseum ihr 100. Jubiläum. Potsdamer Bürger gründeten 1909 einen Museumsverein. Ihre Geschichtskenntnisse und Sammelleidenschaften bildeten die Grundlage für ein städtisches Museum. In einer losen Folge würdigen die PNN Gründungsmitglieder des Vereins, Sammler und ehemalige Mitarbeiter des Museums. Heute: Friedrich Bestehorn (1888-1946).

Als sich der zweite Weltkrieg dem Ende näherte, machte sich am 23. April 1945 Potsdams Oberbürgermeister Hans Friedrichs, eine NSDAP-Größe, auf und und ging davon. Aus Feigheit. Denn die Russen waren kurz vor Potsdam. Auch alle Dezernenten beurlaubte er an diesem Tag. Doch Friedrich Bestehorn, Leiter des Kriegswirtschafts- und Ernährungsamtes der Stadt, erklärte, dass „ich als geborenes Potsdamer Kind meine Heimatstadt nicht verlasen werde.“ Friedrichs muss froh gewesen sein. Mit einem Handschlag übergab er Bestehorn alle Vollmachten. Er möge sich um die 150 000 Einwohner der Stadt kümmern. „Den Oberbürgermeister habe ich seitdem nie wieder gesehen“, berichtete der Lokalpolitiker.

Der als Sohn eines Rechnungsrates geborene Friedrich Bestehorn studierte in Berlin und Marburg an der Lahn vor allem Geschichte und Wirtschaftsgeschichte. Doch alle beruflichen Aussichten – er wollte sich ganz und gar den Wissenschaften widmen – wurden durch den Ersten Weltkrieg zunichte gemacht.

Als er 1919 verwundet nach Hause kam, bat ihn der Potsdamer Oberbürgermeister Vossberg, er möge im Magistrat eine wissenschaftliche Verwaltungsabteilung aufbauen. Dazu gehörten unter anderen das Statistische Amt, das Presseamt, die Stadt-und Volksbücherei, die Lesehalle, das Stadtarchiv und die Verwaltung des städtischen Museums. Später wurde die Verantwortung des Oberverwaltungsrates erweitert. Nun musste er sich um den Schlachthof, die Preisprüfungsstelle, die Krankenhausverwaltung sowie das Schulamt kümmern.

Die Leitung des Museums hat Friedrich Bestehorn sehr gern übernommen – zuvor oblag sie dem Museumsverein –, hat er sich doch seit längerem intensiv mit der archäologischen Geschichte Potsdams beschäftigt. Vorträge im Museumsverein sowie eine Vielzahl von Veröffentlichungen in Tageszeitungen und Fachzeitschriften zeugen von Bestehorns Interesse. So schrieb er unter anderen über die Urgeschichte der Insel Potsdam, die letzten Altwenden an der Wublitz und die 1000-jährigen Dörfer Schorin-Marquardt, Uetz und Paaren, über den Stammbaum der Stadt Babelsberg oder über den urgeschichtlichen Lebensbaum der Stadt Potsdam. In Bestehorns Museums-Leitungstätigkeit fiel auch die Eröffnung des Garnisonmuseums im Jahre 1923 im Marstall. Bürgermeister Arno Rauscher sagte bei den Feierlichkeiten: „Potsdams Entwicklungsgeschichte ist eine Soldatengeschichte. Die Stadt hätte einen großen Fehler begangen, wenn es dieses besondere Museum nicht errichtet hätte.“

Unter der Leitung von Friedrich Bestehorn konnte aber die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit des gesamten städtischen Museums verstärkt werden. Doch das Glück währte nur kurz. Ab 1934 musste auf die Präsentation der kulturhistorischen Abteilung im Haus am Neuen Markt 6 verzichtet werden. Das Arbeitsamt wurde in ihm einquartiert. Ein geplanter Umzug des Museums in das enteignete Logenhaus in der Kurfürstenstraße kam nicht zustande. Nur das Garnisonmuseum blieb geöffnet, auch nach 1939. Bestehorn musste sich während des Krieges um eine Auslagerung der Museumssammlungen kümmern. Man hoffte, sie seien sicher untergebracht. Doch durch die Bombenagriffe im April 1945 und durch die großen Wirren während der Kampfhandlungen und danach ging ein großer Teil der Bestände verloren.

Friedrich Bestehorn stand den Potsdamern während der chaotischen Tage im April 1945 zur Seite. Die russische Militärkommandantur setzte ihn als Leiter der Stadtverwaltung ein. Bereits am 13. Mai entließ man ihn aber. Die russische Militärkommandantur leitete eine eingehende Untersuchung zur angeblichen NS-Vergangenheit des Oberbürgermeisters ein. Zwar war er auch Mitglied in der NSDAP, doch kam er mit ihr immer wieder in deutliche Konflikte.

Sein persönliches Berufsethos als Beamter beschrieb Bestehorn folgendermaßen: „Der Berufsbeamte ist politisch überzeitlich, weil er die von jedem guten Staatsbürger, jeder möglichen innenpolitischen Staatsform geforderte Uneigennützigkeit sozial und wirtschaftlich lebt. Auf das gelernte Beamtentum kann kein Staat verzichten, ebenso wenig wie auf einen gelernten Handwerker oder Arzt.“ Er wandte sich gegen die Auffassung, der Beamte wechsle mit der jeweiligen Staatsform sein politisches Hemd. „Ein Berufsbeamter ist etwas gänzlich anderes als ein Parteifunktionär.“

Friedrich Bestehorn hoffte, am Wiederaufbau seiner Heimatstadt und des Museums dabei sein zu können. Doch eine schwere Herzkrankheit, die „ich mir durch die Überanstrengung der letzten Jahre zuzog“ ließ ein Engagement nicht mehr zu. Er starb am 13. Januar 1946.

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