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In Schaumgewittern. David Wampach in „Batterie“.

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Kultur: Von intensiven Begegnungen

Saisonbeginn mit offenen Studios in der „fabrik“

Spätsommerliche Ruhe lag über dem Gelände der Schiffbauergasse. Doch die Türen der „fabrik“ waren am vergangenen Samstagvormittag weit geöffnet. Und es dauerte nicht lange, bis zahlreiche Tanzinteressierte aus Potsdam und Berlin zu dieser ungewohnten Stunde den Zuschauerraum der „fabrik“ füllten, um jungen Tänzern und Choreografen, die in den vergangenen zwei Wochen im Rahmen von „Étape Danse“ im Potsdamer Zentrum für zeitgenössischen Tanz intensiv gearbeitet haben, in ihrem momentanen Arbeitsprozess über die Schulter zu schauen. „Étape Danse“ wurde vom Institut français Deutschland und der „fabrik“ vor zwei Jahren ins Leben gerufen. Und Sven Till vom Team der „fabrik“ begrüßte am Samstag unter den Besuchern zahlreiche Gäste, die vom parallel laufenden Berliner Festival „Tanz im August“ diesen Abstecher nach Potsdam gemacht hatten, um die Arbeit der „fabrik“ kennenzulernen.

Ungewöhnlich verlief die Präsentation des französischen Tänzers und Choreografen David Wampach. Anstatt sich selbst auf der Bühne zu bewegen, hatte Wampach Ausschnitte aus Arbeiten der letzten drei Jahren als Videomaterial mitgebracht, die er genau wie das Material aus seiner jüngsten Produktion „Tour“ per Computer einspielte. Die Gründe, solcherart zu verfahren, verstand man schnell, wenn man das riesige schwarze Rad – vergleichsweise einem überdimensionierten Glücksrad – sah, auf das der charismatische Tänzer in „Tour“ fixiert ist. Die Kosten, dieses Gerät für zwei Wochen von Montpellier nach Potsdam zu transportieren, sprengen schnell das Budget.

In den Ausschnitten (Batterie 2009, Cassette 2011) präsentierte sich Wambach als sehr wandlungsfähiger und expressiver Tänzer und Choreograf, dem in „Sacre“ von 2011 einprägsame Bilder vom Kämpfen, Sterben und koitaler Vereinigung gelangen. Daran will er auch mit „Tour“ anknüpfen, in dessen Zentrum die Untersuchung des Phänomens Zufall in Verbindung mit Glück und Aberglauben stehen soll. Zur Musik der mittelalterlichen „Songs of Beuren“, die die „Carmina Burana“ von Carl Orff inspiriert haben, waren Sequenzen zu sehen, in denen der Tänzer bald wie ein ans Kreuz genagelter Christus, mal wie ein übermütiges Kind wirkte. Einprägsam waren auch die akustischen Kostproben, die er bei der Erforschung von Todesröcheln als letztem Geräusch eines Körpers bot.

In Echtzeit konnte man eine halbe Stunde später Jefta van Dinther und Thiago Granato in ihrer Performance „Word of Mouth“ im T-Werk erleben. Auf der nahezu dunklen Bühne standen und hingen ein halbes Dutzend Lautsprecherboxen, aus denen sich ein Klangteppich ergoss, der das, was die beiden Männer miteinander erlebten, dramaturgisch geschickt lenkte und miteinander verwob. Ihre geschmeidigen Körper vermischten sich während der ganzen homoerotischen Performance so miteinander, dass Grenzen verschwammen. Die intensive Begegnung, die einen als Zuschauer, je intimer sie wurde, gleichzeitig berührte und auch zum Voyeur machte, verlief andererseits ruhig und mit langem Atem. „Word of Mouth“ bot dem Publikum an, die Zeit mit etwas Ungewissem zu verbringen, das ungewohnte Dimensionen im Außen und Innen eröffnete. Im Anschluss an die Vorführungen gab es Gelegenheit, bei einem Brunch mit den anwesenden Künstlern und dem Team der „fabrik“ ins Gespräch zu kommen. Dieses arbeitet schon jetzt daran, die Performance „Word of Mouth“ in Potsdam zur Premiere zu bringen. Astrid Priebs-Tröger

Nächstes Offenes Studium am 4. September um 19 Uhr, mit Gunilla Heilborn aus Schweden. Eintritt frei

Astrid Priebs-Tröger

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