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Der Filmemacher Thomas Frick (rechts) nun als Theaterregisseur. Er probt mit Maria Haar, Bob Schäfer und Jördis Borak die Geschlossene Gesellschaft.

© Andreas Klaer

Von Heidi Jäger: Sie sind ihre eigenen Folterknechte

Thomas Frick inszeniert mit der Stadt-Spiel-Truppe Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ / Freitag ist Theaterschiff-Premiere

„Wir sind unter uns. Unter Mördern. Verdammt in der Hölle.“ Zu dritt schmoren sie im Fegefeuer. Doch statt der erwarteten körperlichen Folter zerfetzen sie sich gegenseitig mit verbalen Peitschenhieben. Sie sind ihre eigenen Peiniger. Immer wieder schmieden sie neue Pakte, um einen von ihnen auszugrenzen. Jedem dürstet nach der Anerkennung des anderen. In Jean Paul Sartres Drama „Geschlossene Gesellschaft“ erleben wir die verführerische Estelle, an deren Seite die hochintellektuelle, lesbische Ines wie ein Saugnapf klebt. Auch sie hat Schuld auf sich geladen. Ebenso wie Garcin, der zwischen den Frauen lanciert: der Möchte-Gern-Held und feige Versager.

Spannungsreiche zwischenmenschliche Beziehungen, die Regisseur Thomas Frick schon beim Lesen packten. „Wir hatten das Gefühl, bei diesem Stück kann man nicht allzu viel falsch machen. Es trägt sich fast von allein.“ Der gestandene Filmregisseur ist am Theater noch ein Neuling. Nach dem Clownstück „Kikerikiste“ von Paul Maar ist die Inszenierung auf dem Theaterschiff sein zweiter Handstreich. „Wir haben uns acht Wochen Zeit genommen und von Grund auf die Figuren entwickelt. Beim Film ist das so gar nicht möglich. Da schreibt man sein Storyboard und stellt die Schauspieler oft in aller Hast wie Marionetten hinein.“

Er habe schon lange den Wunsch gehabt, mit der Stadt-Spiel-Truppe zu arbeiten. Nachdem er „Vagina Monologe“ gesehen hatte, kam er mit drei Schauspielern ins Gespräch. „Zwei sind allerdings wieder abgesprungen. Nur Bob Schäfer blieb am Ball.“ Und der wirft ihn nun Jördis Borak und Maria Haar mit vielen Winkelzügen zu. Vor allem die Mann-Frau-Beziehung, die Erotik, habe ihn bei Sartre sofort gefesselt, sagt Thomas Frick. Wie auch das Versagen an dem eigenen Anspruch. Der Babelsberger Regisseur möchte in der Inszenierung nachspüren, wie die Menschen ticken, wie sie von innen heraus gegen ihren eigenen Willen handeln. „Das ist wie bei den guten Vorsätzen zum neuen Jahr: Man macht am gleichen Tag genau das Gegenteil von dem, was man sich gerade erst vorgenommen hat. Und schon ist man mitten drin im Strudel der Selbstlügen. Sartre hält uns trefflich einen Spiegel vor: über das Lieben und Hassen, das Sich-Brauchen und Sich-Gegenseitig-Zerstören.“

Obwohl sie sich bei den Proben im Schiff kalte Füße holen und die Nasen triefen, freut sich Thomas Frick über die Arbeit, die gerade in der heißen Phase des Feinschliffs ist. Als Freiberufler muss er sich ständig drehen, um Aufträge an Land zu ziehen. „Augenblicklich lebe ich vor allem von der Werbung“, so der gebürtige Rostocker, der seine künstlerische Arbeit in den 80ern als Karikaturist, Liedermacher und Undergroundfilmer begann.

Nach der Premiere von „Geschlossene Gesellschaft“ startet der 46-Jährige mit rund 100 Schülern in fünf Ländern eine große Kampagne mit ökologischen Werbefilmen. „Noch im Januar reise ich nach Island.“ Später geht es nach Kroatien, Polen und Frankreich. Alle Beteiligten treffen sich noch in diesem Monat zu einem großen „Klimagipfel“ in Berlin. Dort leitet Thomas Frick Drehbuchseminare. „Wir werden auch eine Bundestagssitzung mit den Gymnasiasten als Abgeordnete simulieren und mit den realen umweltpolitischen Sprechern aller Fraktionen ins Gespräch kommen.“ Zudem sind sie Gast im Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. In einem Jahr ist dann die Präsentation geplant: 70 Werbefilm-Drehbücher sollen entstehen und davon 25 als Kurzfilme ins Fernsehen und Kino kommen. Mitfinanziert von Greenpeace.

Besonders liegen Thomas Frick aber seine Kino-Spielfilmprojekte am Herzen. „Ich habe mehrere Stoffe in der Pipeline: so eine Wirtschaftssatire über einen Brandenburger Arbeitslosen, der in der märkischen Wüste ein Reiseunternehmen gründet.“ Auch seine dicke Stasi-Akte hat Thomas Frick aufgearbeitet und daraus ein Drehbuch geschrieben. Jahrelang lag über ihn ein unsichtbares Netz, das all’ seine beruflichen und künstlerischen Bemühungen torpedierte und ihn fast in Depressionen stürzte. „Schon an der ,Penne’ hatte die Stasi mich im Visier, als ich mich nicht in das Offiziersbewerberkollektiv reinpressen lassen wollte.“ Stattdessen sang er in Kirchenchören und wollte wie seine Eltern Arzt werden. Doch er erhielt nicht mal die Zulassung zum Abitur. Es folgten Verhaftungen, Hausdurchsuchungen, Filmarbeiten wurden beschlagnahmt. Erst durch die Vermittlung von DEFA-Regisseur Heiner Carow gelangte er 1987 zu einem Volontariat bei der DEFA und schließlich 1988 an die Filmhochschule Babelsberg. Seinen mehrfach preisgekrönten Diplomfilm „Der unbekannte Deserteur“ drehte Frick 1995 in Amerika. Mentoren waren die Regisseure Claus Dobberke und Roland Emmerich. Auf der Berlinale 2002 feierte schließlich sein erster abendfüllender Spielfilm „Detective Lovelorn“ erfolgreich Premiere. „Doch so wie bei Andreas Dresen flutscht es bei mir leider nicht. Man sagt aber in unserer Branche: von 20 Projekten kommt eines durch. Also kann ich nur hoffen.“

Im Theater winkt in der Ferne aber bereits wieder ein neues Angebot: „ Berliner Schauspieler möchten gern ,Wer hat Angst vor Virginia Woolf’ mit mir auf die Bühne bringen. Es scheint sich herumzusprechen, dass es Spaß macht, mit mir zu arbeiten.“ Er gebe den Schauspielern die Möglichkeit, dass jeder seine ganz eigenen Erfahrungen, seine Menschlichkeit, einbringen kann. „Sie sollen die Emotionen nicht auswändig lernen, sondern im Augenblick entstehen lassen.“ „Geschlossene Gesellschaft“ bietet dafür wahre Abgründe.

Premiere 9. Januar, 20 Uhr, Theaterschiff. Weiteres unter www.frickfilm.de.

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