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Von Heidi Jäger: Dem Vergessen entrissen

Potsdam Museum erinnert an den Kunsthändler Ferdinand Möller: „Von Otto Mueller bis Max Kaus“

Ferdinand Möller hätte seine Freude an dieser Schau gehabt. Schließlich führt sie einen Großteil der von ihm verlegten und im Krieg in alle Winde verwehten Werke erstmalig wieder zusammen. Und das in der Stadt, die ihm neun Jahre Heimat war. Doch das wissen nur die wenigsten. Der Kunstverein Potsdam und das Potsdam-Museum leisten mit der gestern Abend eröffneten Ausstellung „Von Otto Mueller bis Max Kaus“ Pionierarbeit und entreißen einen der wichtigsten Kunsthändler für die deutsche Moderne in den 1920er Jahren dem Vergessen. Neun Jahre führte Ferdinand Möller in Potsdam einen Verlag und zeitweise auch eine Galerie: in seiner Wohnung in der Wollnerstraße 14, der heutigen Otto-Nagel-Straße. Er veröffentlichte dort von 1920 bis 1929 druckgrafische Blätter, Mappenwerke, Künstlermonographien und auch Kunstzeitschriften. Vor allem die Expressionisten und „Brücke“-Maler scharte er um sich. „Das Hüttenwerk“ von Wolf Röhricht war seine erste graphische Publikation. Es gehört mit zu den rund 50 Arbeiten in der Ausstellung in der Benkertstraße, die von prominenten öffentlichen und auch privaten Leihgebern mit bestückt wurde.

Es lässt sich in den vier Räumen dieser Kabinettausstellung trefflich Zwiesprache halten mit 16 von etwa 25 Künstlern, die Möller einst vertrat. Da ist der sinnliche, in warmen Farben aquarellierte „Rückenakt vor Spiegel“ von Max Kaus, einem Maler, der vier Jahre in Potsdam wohnte. Unter Glas wird die Mappe „Pommernfrauen“ von Martel Schwichtenberg, der einzigen Frau unter den Möller-Künstlern, aufgeblättert und bringt herrliche Körperstudien zu Tage, die mit streng reduziertem Strich kleine Alltagsgeschichten erzählen. Zu den herausragenden Editionen gehören die Radierungen aus der Mappe „Penthesilea“ von Felix Meseck, die mit erotisch-wollüstigen Liebesszenen aufwarten. Aufmerksam schauen die Frau des Kunsthändlers, die Malerin Maria Möller-Garny, und eine seiner drei Töchter, Susi, in ihre einstige Bilderwelt hinein. Von Georg Kolbe in Bronze und Richard Scheibe in Marmor geformt.

Exoten unter den Exponaten sind die Zeichnungen der Lappen: ursprünglich in Baumrinde geritzte Darstellungen ihres Brauchtums, die sie für den Verleger nun auch in Metall gravierten, so dass er sie als Radierung veröffentlichen konnte. Wie Kunstwissenschaftler Andreas Hüneke beim gestrigen Pressegespräch im Potsdam-Museum sagte, habe es immer eine Verbindung der Moderne zur „primitiven Kunst“ gegeben, zu der aus Afrika oder Ozeanien ebenso wie zu der geistig behinderter Menschen.

Ferdinand Möller gelang es in Potsdam abseits der Berliner Inflationskrise zahlreiche Berliner Kritiker, Kunst- und Geschäftsinteressierte regelmäßig an die Havel zu locken. Gäste waren auch Emil Nolde, der Gartengestalter Karl Foerster oder der Architekt Hans Poelzig. Ein Kritiker schrieb 1925 über die Galerie Möller: „Man findet vier schöne, große, helle, stille Zimmer, einen Saal. Ein Mann, der Zimmerstimmung versteht, der ,hängen’ kann. Der weiß, daß vier Bilder mehr sind, als vierzig ...“. Doch das eher konservative Kunstverständnis in Potsdam ließ sich nicht so leicht aufbrechen. „So war auch den Potsdamer Kunstsommern keine lange Lebensdauer vergönnt und die Galerie Möller befand sich Mitte der 20er Jahre wirtschaftlich am unteren Rand des noch Verkraftbaren. Potsdam entwickelte sich nicht zur Kunststadt der Moderne“, ist im Katalog zu lesen, den der Cultur Medien-Verlag herausgab und der sich farblich sowie in Größe und Papier am historischen Vorbild der Möller-Kataloge orientierte.

Einer dieser Kataloge war dem ersten Potsdamer Kunstsommer 1921 gewidmet, den Möller kuratierte. In der jetzigen Ausstellung des Potsdam-Museums sind beide Plakate zu der großen Moderne-Ausstellung in der Orangerie zu sehen: Das von Otto Mueller und das im starken Kontrast dazu stehende von Olaf Gulbransson. Es zeigt den großen Geist des Alten Fritzen, der ein possierliches Künstlerkind mit Malpalette segnet. Eine Darstellung zum Schmunzeln.

Die von Möller edierten Kunstwerke stuften die Nationalsozialisten als „entartet“ ein. Wie Andreas Hüneke betonte, wurden 1937 an allen deutschen Museen die Bestände der Moderne beschlagnahmt. Sie sollten gegen Devisen im Ausland verkauft werden. Vier Kunsthändler, darunter Möller, waren dafür verantwortlich, „nicht, weil sie sich besonders für das Naziregime engagierten, sondern weil sie sich schon vorher für diese Kunst eingesetzt hatten“. Entgegen der Anweisung verkauften sie die Bilder auch ins Inland oder behielten sie selbst und tauschten sie gegen ältere Kunst. So legte sich Möller eine beachtliche Sammlung von Arbeiten der „Brücke“- und auch Bauhaus-Künstler zu, die er während der letzten Kriegsjahre versteckte und 1946 in Neuruppin unter dem Titel „Freie Deutsche Kunst“ zeigte.

Durch das Engagement der Kunsthändler seien eine Menge „entartete“ Bilder gerettet worden, ist im Katalog zu lesen. Für Werke, die nicht verkauft werden konnten, bestand die Gefahr, dass sie im Feuer landen, und das passierte immerhin 5000 Kunstwerken.

Wie Museumschefin Jutta Götzmann und Andreas Hüneke betonten, wäre die Galerietätigkeit Ferdinand Möllers ebenfalls ein wichtiges Thema, das man gemeinsam angehen sollte. Doch dafür braucht es größere Räume. Die könnte der künftige Museumssitz im Alten Rathaus durchaus bieten und auch den Möller-Gemälden Geltung verschaffen.

Die jetzige Ausstellung mit dem grafischen Werk ist die letzte in dem Holländerhaus in der Benkertstraße. Ein Abschied mit Effet.

Zu sehen bis 16. Januar in der Benkertstr. 3, Di bis So, 10 bis 18 Uhr. Am 24. Oktober um 11 Uhr gibt es eine Führung mit der Museumsdirektorin. Der Katalog kostet 15 Euro.

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