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Von Heidi Jäger: Anziehung und Distanz

Eine Filmreihe widmet sich vom 4. bis 7. Mai den Deutschen im tschechischen Film

Auch ihren dunklen Seiten begegnen die Tschechen mit Humor: am liebsten mit schwarzem. Jahrzehntelang war es ihnen untersagt, sich dem Kapitel Vertreibung zuzuwenden. Erst nach 1989 entstanden Bücher und Filme, die sich mit Vorurteilen gegenüber Deutschen und der verdrängten Nachkriegsgeschichte auseinandersetzten. Am Montag beginnt nun im Filmmuseum die Filmreihe „Anziehung und Distanz“, zu der das Deutsche Kulturforum östliches Europa in Potsdam vier Filme auswählte, die die jahrhundertelange gemeinsame Vergangenheit von Tschechen und Deutschen in Böhmen und Mähren und das traumatische Ende thematisieren.

In dem 2004 gedrehten Streifen „Unsere Champions“ gerät der Zuschauer inmitten einer alkoholisierten Männerrunde, die mit ihrer Eishockey-Nationalmannschaft fiebert. Natürlich dürfen nur jene jubeln und Daumen drücken, die in ihren Augen auch wahre Landsleute sind. Mitnichten also „Zigeuner“ Josef oder der alte Sudetendeutsche, der sich wieder in seinem verfallenen Anwesen eingenistet hat. Der tschechische Regisseur Marek Najbrt nimmt Mythen und Feindbilder ganz in der Tradition von Jiri Menzel mit galliger Komik aufs Korn. „Diese Satire ist eine Art Parabel. Der alte Herr wirkt wie ein Urgestein. Er verkörpert vielleicht die Sudetendeutschen, die nach 1945 nicht ihre Heimat verlassen mussten. Denn es gab Ausnahmen, die bleiben durften: Antifaschisten und Deutsche, die mit Tschechen verheiratet waren. Aber sie mussten ihre Identität verstecken“, so Tanja Krombach, Mitarbeiterin vom Kulturforum, die diese Reihe organisiert.

Der bislang nur auf 3SAT gezeigte Film spiegele auch die bis heute exisitierende gewisse Verwahrlosung in den Grenzgebieten, eine verfallenen Kulturlandschaft, alte Friedhöfe mit deutschen Inschriften. „Erst langsam bemüht man sich, diese Orte zu restaurieren“, so die Fachreferentin.

Mit „Adelheid“ kommt ein Film zur Aufführung, der 1969 , im Zuge der kurzen Tauwetterperiode des Prager Frühlings, entstand. „Es war das erste Mal, das eine Deutsche in der tschechoslowakischen Kunst differenzierter beleuchtet wurde.“ In den über hundert abendfüllenden Filmen, die in den Jahren 1939 bis 1945 spielen, sei der Deutsche immer schwarz-weiß gezeichnet worden: als verbissener, fanatischer Nazi, duckmäuserischer Deserteur oder inhaftierter Antifaschist. „Dieser propagandistischen Betrachtung schenkt unsere Filmreihe keine Aufmerksamkeit.“ Sie wird jedoch in einem Vortrag des Historikers Petr Koura am 11. Mai im Kutschstall eine Rolle spielen.

Adelheid ist indes eine junge Frau mit vielen Facetten. Sie ist die Tochter eines vertriebenen berüchtigten Nazis und arbeitet nach 1945 als Dienstmagd in dem Haus ihrer Kindheit. Ihr gegenüber steht Victor, ein Tscheche, der an der Seite der Engländer gegen die Deutschen gekämpft hat und nun das enteignete Anwesen verwaltet. Er verliebt sich in die unnahbare Gutsherrentochter. „Adelheid ist ambivalent gezeichnet und entspricht dem Verhältnis von Anziehung und Abstoßung. Autor Vladimir Körner machte mit ,Adelheid’ als einer der ersten tschechischen Autoren die Vertreibung der Deutschen zum Thema“, so Tanja Krombach. Christoph Haacker, Leiter des Arco Verlages, wird im Filmmuseum aus der deutschen Übersetzung der verfilmten Novelle lesen.

Wie Tanja Krombach betont, gibt es in der Tschechei ein zunehmendes Bewusstsein für die Vertreibung. „Die Deutschfeindlichkeit ist nicht mehr so ausgeprägt. Es gibt weniger Klischees, ohne dass die Deutschen jetzt nur als die Guten dargestellt werden. Gerade die Jüngeren setzen sich mit den Ängsten und Vorurteilen auseinander. “

Das Projekt des Kulturforums, das ein Bild zeichnen möchte, wie tschechische Künstler die Sudetendeutschen im eigenen Land betrachten, ist auf zwei Jahre angelegt. Im vergangenen Jahr ging es um Deutsche in der tschechischen Gegenwartsliteratur. In den „Ablagerungen“ kam auch das preisgekrönte Stück „Porta Apostolorum“ zur szenischen Lesung, das das Massaker von Postelberg/Postoloprty in Nordböhmen aufgreift, bei dem es 763 Tote gab. „Es war eines der größten Massenmorde an der deutschen Bevölkerung in Böhmen. Sie wurde von den revolutionären Garden hingerichtet, die für die gewaltsame Vertreibung sorgten. Später ist es etwas geordneter zugegangen, nicht mehr ganz so grausam“, sagte Tanja Krombach. Derzeit bemüht sich das Kulturforum um ein Theater, das das in Prag mit großem Erfolg uraufgeführte Stück von Miroslav Bambusek auch in Potsdam in Szene setzt.

„Es gibt zwar noch keine breite Diskussion über die Vertreibung, aber eine erste Spurensuche. Und darüber ist in Deutschland wenig bekannt.“ Die Filmreihe versteht sich als Blick über die Grenzen. „Wir glauben, dass wir über die künstlerische Schiene am ehesten an das Publikum herankommen. Mit Vorträgen erreicht man nur wenige.“ Sowohl die Literatur- als auch die Filmreihe wird von München übernommen und soll auch an andere Orte wandern – mit dem schwarze Humor der Tschechen als Türöffner.

Eröffnung 4. Mai 19.30 Uhr mit „Ich habe den englischen König bedient“, 5. Mai 20.10 Uhr: Unsere Champions“, 6. Mai 20 Uhr „Wir müssen zusammenhalten“, 7. Mai, 19.30 Uhr: Adelheid“ mit vorausgehender Lesung (alles im Filmmuseum); 11. Mai 19 Uhr Vortrag Petr Kouras über die Entwicklung des Bildes der Deutschen im tschechoslowakischen Film nach 1945 im Kutschstall.

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