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Kultur: Von eintäglichen Zeitgeistfliegen Schreib-Autoren lasen

im Theaterschiff

Gleich am Eingang des Theaterschiffes lagen sie. Die taschenbuchgroßen handlichen Schreib-Hefte, mal im Hoch-, öfter im Querformat. Inzwischen fünfzehn an der Zahl, am nächsten wird gerade mit Hochdruck gearbeitet. Wie immer in den vergangenen sechzehn Semestern im Kollektiv. „Schreib“ ist die Zeitschrift für junge Literatur an der Universität Potsdam, die jungen, bisher unveröffentlichten Autoren ein Forum bietet. Denn nicht jeder findet für seinen literarischen Erstling überhaupt und sofort einen Verlag. Das Dazwischen – von der Worddatei auf dem heimischen Computer bis zum Buch im Handel - will „Schreib“ für junge Autoren begehbarer machen.

Und bei manchen klappt es ja auch, wie bei der Potsdamerin Christine Anlauff, die seit der zweiten Ausgabe von Schreib Mitarbeiterin und Autorin ist und 2005 mit „Good Morning Lehnitz“ ihren ersten Roman bei Kiepenheuer veröffentlichte. Sie und einige andere, die die zweimal im Jahr erscheinende Edition über Jahre maßgeblich prägten, luden am Mittwochabend zur Jubiläumslesung unter dem Titel „Rückblendentherapie“ auf das Theaterschiff ein. Und nicht nur die Autoren Tobias Kraft, Kerstin Raatz, Maria Stolz, Heike Stadeler, Ines Theilen, Fabian Bölsche, Christoph Beck und Julian Drews, sondern auch erstaunlich viele Zuhörer fanden sich an diesem strahlenden Sommerabend im schummrigen Bauch des Schiffes ein.

Um Lyrik und Prosa und der, wie sie selbst sagen, koffeinhaltigen Musik des Frankfurter Trios Jack Novelle zu lauschen. Diese drei Musiker sollte man sich nicht nur für passende Gelegenheiten merken, sondern auch das meiste, was gelesen wurde, machte Appetit auf mehr. Angefangen beim Anfangstext „Eintägliche Zeitgeistfliegen“ von Tobias Kraft bis hin zum zuletzt vorgetragenen „vorbei geworfen“ von Julian Drews. Das inhaltliche Spektrum reichte von der Auseinandersetzung mit dem eigenen Schreiben, mit Literatur überhaupt, über Liebes- und ebensolche Leidensgeschichten bis hin zur Momentaufnahme des Schicksals eines, durch einen Unfall an Amnesie leidenden S-Bahn-Passagiers.

Dazwischen gab es einige Anekdoten aus acht Jahren Schreib zu hören, wie die vom ominösen zweiten Heft, das einer der Autoren vollständig aufkaufte, um das Eigen-leben, das sein Text entwickelte, zu unterbinden. Tobias Kraft hingegen erzählte, dass sein Text kurz nach der Veröffentlichung im Portemonnaie einer jungen Frau landete und er so in den Genuss echten Groupiefeelings kam. Humorvoll und tragisch zugleich war auch die vorgetragene Episode aus dem Leben eines Goldfisches, der als Liebesbeweis für eine rothaarige Schöne gleichen Namens sein Leben lassen musste. Ob die Liebe damit ebenfalls am Ende war, blieb mit einem Augenzwinkern der Fantasie der Zuhörer überlassen.

Ein bisschen schade, bei der Veranstaltung und in den bisher erschienenen Heften, war und ist, dass man so gut wie nichts über die Autoren erfährt. Ein wenig mehr Werbung in eigener Sache würde den Schreibenden gut zu Gesicht stehen. Und wenn auch nicht jeder den Sprung auf den kommerziellen Literaturmarkt schafft, lohnt es doch allemal, sie einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Am Mittwochabend waren die meisten der Schreib-Hefte, die man im gutsortierten Potsdamer Buchhandel für jeweils ein Euro erwerben kann, jedenfalls weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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