zum Hauptinhalt
Wer ist wer? Patricia Carlucci als Herrin (l.) und Jasna Fritzi Bauer als Zofe (r.) tauschen ihre Rollen, um Männer zu prüfen.

© HL Böhme

Kultur: Von der Angst, Frau zu werden

Die Komödie „Das Spiel von Liebe und Zufall“ von Marivaux hat im Schlosstheater Premiere

Es war ihnen sofort klar, wer welche Rolle spielen würde. Auch der Außenstehende ahnt es. Zwar geben sich beide Frauen in ihren Trainingsjacken sportlich leger, doch die dunkelhaarige Patricia Carlucci strahlt doch mehr das Sinnlich-Feingeistige und auf der Bühne sicher auch das Herrschaftliche aus. Sie gibt in Marivaux’ Verwechslungskomödie „Das Spiel von Liebe und Zufall“, die am kommenden Samstag im Schlosstheater Premiere hat, die aus gutem Hause kommende Silvia.

Die soll auf Wunsch des Vaters heiraten. Natürlich standesgemäß. Das Mädchen ängstigt sich indes sehr, Frau zu werden und ersinnt einen Rollentausch: mit Zofe Lisette. Jasna Fritzi Bauer, die eher burschikos wirkende Schauspielerin, legt in diesem Verkleidungsspiel auf Wunsch ihrer Herrin also die Schürze als Dienerin ab und stülpt sich deren Perücke über. Doch wie alle in diesem Spiel, ist sie unsicher, in dem, was sie tut. So wie auch der für Silvia auserwählte Dorante und dessen Diener Arlequin, die ebenfalls ihre Rollen tauschen. Der verworrene Tanz um die Freilegung wahrer Gefühle nimmt seinen Lauf.

Während des anregenden Vorgesprächs im Café Alex gewinnt man sehr schnell die Gewissheit, dass diese schlagfertigen und sehr geerdeten jungen Frauen der fast 400 Jahre alten Geschichte mit Spielspaß, aber auch dem nötigem Ernst begegnen. „Die Kostüme geben der Figur dabei die Schale, verändern viel an der Haltung“, sagt Jasna Fritzi Bauer. Es mache schon einen Unterschied, ob sie eine Schürze trage, in der sie ganz bäuerlich die Hände vergraben kann oder sich in ein vornehmes Jackett zwänge. Die 22-Jährige ist gerade an der Seite von Nina Hoss in dem Kinofilm „Barbara“ zu sehen und spielt dort ein aus dem DDR-Jugendwerk Torgau geflohenes Mädchen. Auch in der Hauptrolle der am Tourette-Syndrom leidenden Jugendlichen Eva im Kinofilm „Ein Tick anders“ prägte sich dieses schmale und so markante Gesicht ein. „Doch ich nehme in eine neue Arbeit nichts mit aus der Rolle zuvor. Ich bin immer ich. Oft vielleicht auch mit den gleichen Gesten. Aber das heißt nicht, dass ich alles gleich spiele. Ich versuche, jede Figur neu zu holen. Es ist nie ein Abfrühstücken.“ So nimmt sie auch die Dienerin Lisette sehr ernst, auch wenn man merkt, dass ihr diese etwas einfältige Person privat sehr fern ist.

So wie Jasna Fritzi Bauer wurden auch Patricia Carlucci und die in „Liebe und Zufall“ mit verstrickten jungen Männer Andy Klinger und Christian Löber von Regisseurin Jutta Hoffmann auf einem Wettbewerb deutschsprachiger Schauspielschulen ausgesucht. Jasna Fritzi Bauer vertrat die Berliner Schauspielschule „Ernst Busch“, Patricia Carlucci die Universität der Künste Berlin. Gewonnen haben beide. Jurymitglied Jutta Hoffmann, selbst lange Zeit Schauspielerin, wusste also, wen sie sich für ihre erste Regiearbeit am Hans Otto Theater an die Seite holt. Die in Potsdam lebende bekannte Theaterfrau nahm die körperliche Einschränkung von Patricia Carlucci mit in Kauf. Die verletzte sich im Januar bei der Premiere von „Fritz“ am Knie. Nach der Operation vor acht Wochen findet Patricia Carlucci nun allmählich zur Arbeit zurück, auch wenn noch nicht so leicht und beschwingt tänzelnd wie als Victoire in Fontanes „Schach von Wuthenow“ oder als Ulrike de Catt in „Fritz“. „Es ist klar, dass ich keinen Spagat machen kann und nicht mit den typischen Mitteln arbeite wie sonst, eben nicht die schnelle, fidele Patricia sein kann“, sagt die 25-Jährige, die hofft, zur Premiere ihre Beinschiene wieder ablegen zu können. Die Proben seien trotz der schmerzenden Verletzung durchaus möglich gewesen. „Wir haben sehr lange am Tisch gelesen“, sagt Patricia Carlucci. „Fast, bis es einen aus den Ohren rauskommt“, ergänzt die offenherzige Jasna Fritzi Bauer.

Für beide ist „Das Spiel von Liebe und Zufall“ weit mehr als ein kleines Verwechslunsgkomödchen aus der Zopfzeit. „Gerade bei Silvia geht es um ganz existenzielle Fragen, eben um ihre Angst, Frau zu werden, zu heiraten“, betont Patricia Carlucci. Sie wolle aber keine tiefenpsychologische Analyse ihrer Figur vornehmen, gibt sie sich anfangs etwas zurückhaltend und formt im Erzählen dann doch ein plastisches Bild ihrer Figur. Diese Silvia sucht zwar einen sehr kindlich naiven Weg, um den ihr zugedachten Freier zu prüfen: eben die Verkleidung. Andererseits ist da der wachsame Blick, der die fassadenhafte Attitüde der Gesellschaft sieht: die nach außen vorgegaukelte heile Welt, auch wenn hinter der Haustür die Fetzen fliegen. „Sie möchte nicht heiraten, um dann festzustellen, dass sie unglücklich ist. Vielleicht traut sie den Männern einfach nicht zu, dass sie sie glücklich machen. Auch bei Männern, die scheinbar nett sind, sieht die mutterlos aufgewachsene junge Frau die Vielgesichtigkeit“, sagt Patricia Carlucci über ihre Silvia, die ihr „königliches Wesen“ auch unter der Schürze nicht verbergen kann. Jasna Fritzi Bauer ergänzt witzelnd: „Ich bin da viel einfacher gestrickt als meine Herrin, ein bisschen, nein, viel plumper.“ Ihre Lisette gebe nicht viel Schlaues von sich. „Ihr einziger Traum ist es, zu heiraten. Ein Ehemann ist ein Ehemann, selbst wenn es am Ende nicht der erhoffte Graf, sondern der Diener ist.“

Standesthemen, die sich seit Jahrhunderten durch die Literatur ziehen, hätten heute durchaus noch ihre Bühnenberechtigung, sind sich beide einig, zumal, wenn wie in der jetzigen Bearbeitung der 1730 geschrieben Komödie die Sprache in die heutige Zeit übertragen, einiges gekürzt und gedreht worden sei. Heute existiert dieser Standesdünkel vielleicht auf einer etwas anderen Ebene, könnte der unterschiedliche Bildungsgrad zum Beispiel die Liebe belasten. „Für mich wäre es jedenfalls nicht reizvoll, einen Millionär zu heiraten. Aber ich komme ja auch aus der wohlsituierten Mittelschicht“, so Jasna Fritzi Bauer in ihrer trocken-heiteren Art an. Für die seit dieser Spielzeit zum Potsdamer Ensemble gehörenden Patricia Carlucci ist es der „absolute Oberknüller“, jetzt auch im Schlosstheater spielen zu können. Doch der Premierenvorhang ist für beide eine nervliche Tortur. Jasna Fritzi Bauer zittert oft noch Minuten später, wenn sie bereits auf der Bühne steht. „Da frage ich mich schon: Warum tue ich mir das an? Ja, es ist wirkliche Angst. Man muss sich blank ziehen vor so vielen Leuten.“

Premiere am kommenden Samstag, dem 24. März, 19.30 Uhr, im Schlosstheater im Neuen Palais. Karten unter Tel.: (0331) 98 11 8

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false