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Mut, Sorge, Fernseher. Collagen der aus Syrien geflüchteten Künstlerin Seba Nassreddine, die erst seit einigen Monaten in Potsdam lebt.

© Manfred Thomas

„Von Außen nach Innen – von Drinnen nach Draußen“: Weltsichten

Privatheit und Öffentlichkeit, äußerer Schein und verborgene Innerlichkeit in der Galerie Euchner.

Der Blick nach außen kann auch durch den Fernseher geschehen. Auf den Collagen von Seba Nassreddine ist der Fernseher das Fenster zur Welt. Die Künstlerin ist aus Syrien geflüchtet und erst seit einigen Monaten in Potsdam. „Willkommen in Berlin“, „du solltest dich des Moments erfreuen“ sind die Titel ihrer Bilder. Aber es finden sich auch weniger hoffnungsfrohe Notizen: „das Leben ist nicht sicher“, „deine Arbeit ist nicht sicher“.

Mehrere Künstler aus dem Nahen Osten steuern ihre Werke zu der Ausstellung in der Galerie Euchner bei. „Ich zeige nur Fotos von Künstler aus Orten in fernen Ländern, in denen ich schon selbst gewesen bin“, erläutert die Galeristin Angelika Euchner ihre Ausstellungsprinzipien. So bereiste sie mehrfach die palästinensischen Autonomiegebiete und stellt nun Arbeiten von dortigen Künstlern aus. Mit einigen arbeitet sie schon mehrere Jahre zusammen und probiert, wie weit sich ihre Arbeiten in Potsdam vermitteln lassen. Formal ist kaum ein Unterschied zu den sonstigen Arbeiten der Künstler der Galerie zu erkennen. Das liegt wohl einerseits daran, dass die von Euchner präsentierten Formate ohnehin recht vielfältig sind. Andererseits gibt es mittlerweile eine globalisierte Sprache der Kunst, die sich über formale Grenzen und politische Barrieren ohnehin leicht hinweg setzt.

„Von Außen nach Innen – von Drinnen nach Draußen“ soll der Blick der Ausstellung gehen. Privatheit und Öffentlichkeit, äußerer Schein und verborgene Innerlichkeit: Die möglichen Deutungen und Differenzierungen zwischen dem, was uns augenscheinlich entgegen tritt und dem, was sich im individuell Subjektiven abspielt, sind vielfältig. Wie die Herangehensweisen der Künstler.

Zwei Fotos zeigt die 17-jährige Samara Sallam. Auf einer engen Treppe in einem Hinterhof stehend blickt eine schwarz gekleidete Figur hinauf, möglicherweise in den Himmel. Auf dem anderen Foto ist ein Blick aus dem Raum auf ein Zimmerfenster zu sehen. Ein mit Mustern verzierter Vorhang weht davor, Sonnenlicht fällt in das dunkle Zimmer. In zurückhaltenden Farben fotografiert vermitteln die beiden Fotos unprätentiös die Intimität der Szenerie, das Innere der Räume. Auch der holländische Maler Menno Veldhuis zeigt Fotoarbeiten. Grabsteine auf einem Friedhof, darauf die Inschrift: „unbekannter Maler“. Das Foto eines Mannes, halb verdeckt von Zweigen, mit verhangenem Blick. „Van Gogh, das Alter Ego des Malers“, erläutert der Fotograf, mit dem Veldhuis das Bild zusammen erstellt hat. Eigentlich ist Veldhuis das, was früher an den Kunstakademien ein „Malschwein“ genannt wurde, jemand, der mit vollem Genuss und Verve in die Tuben greift, um in Farben zu schwelgen und das Haptische der Ölfarbe zur Reife zu bringen. Aber seit einiger Zeit experimentiert der Künstler mit dem Fotoformat. Er zeigt, dass dieses für ihn bestens geeignet ist, reflexive Deutungen zu seiner Rolle als Künstler zu transportieren.

„Bringen Sie endlich wieder Leben in Ihre Ordnung“, fordert Jan Beumelburg in hintersinniger Verkehrung des Üblichen. Auf seiner recht witzigen Fotoarbeit ist das Fingerloch eines Aktenordners, der an einer hübsch gemusterten Tapete hängt, zum Einstiegsloch eines Vogelkastens geworden.

Die leichten Irritationen und subtilen Brechungen des Gewohnten sind es auch, was die vorgeblichen Emaillefliesen von Mia Grau & Andree Weissert auszeichnet. Denn tatsächlich sind es Fotos, die in augentäuscherischer Manier wie Emaillen erscheinen. Was wie eine harmonische, blaufarbige, holländische Landschaft anmutet, entpuppt sich unversehens als Landschaft mit Atommeiler. Die vorgebliche Idylle birgt in ihrem Innern den Schrecken der Radioaktivität. Das ist aber erst auf den zweiten Blick erkennbar. Genauso die Palette, die Barbara Wille an der Wand aufgehängt hat, die sich erst bei genauer Betrachtung als eine geschickte Verschränkung von fotografischem Hintergrund und Objekt erweist.

Die Malerei ist in der Ausstellung eher zaghaft vertreten. Nicht mit großem Aplomb, aber immerhin mit einigen kleinformatigen Werken. Andy Kern zeigt Collagen, die wie innere Organe, wie Haut oder Körperteile anmuten. Sorgsam arrangiert sind sie ein Hinweis auf die Zerbrechlichkeit der inneren und der körperlichen Balance.

Passend zur Weihnachtszeit gibt Thomas Kummerow einen Überblick über die Vielfältigkeit der New Yorker Kirchenszene. Die Bilder, die der deutsche, in Amerika lebende Fotograf von den Außenfassaden der sakralen Räume geschossen hat, lassen erahnen, dass der Glaube und seine Vielfältigkeit weit über das in Europa Übliche hinausgehen können. Zahlreiche verschiedene Gotteshäuser verkünden mit großen Lettern den Schwerpunkt ihrer jeweiligen Botschaft: „Rock Church“, „Halle der Zeugen Jehovas“, „Maha Shiva“.

„Von Außen nach Innen – von Drinnen nach Draußen“, ae Galerie, Mittwoch bis Freitag 15 bis 19 Uhr, Samstag 12 bis 16 Uhr, Charlottenstraße 13, 14467 Potsdam

Richard Rabensaat

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