zum Hauptinhalt
Laden in die Schreckenskammer ein: Nora Raetsch und Gregorio Amicuzi.

© A. Klaer

Von AstridPriebs-Tröger: Kartografie des Schreckens

Ein deutsch-italienisches Theaterprojekt auf den Spuren des Horrors: Morgen ist Premiere

Zuerst die gute Nachricht: Theater Zaba spielt wieder. Vor fünf Jahren gingen die Mitglieder der ersten von Ulrike Schlue gegründeten Theatergruppe des Offenen Kunstvereins auseinander. Ausbildung und Studium standen bei den meisten an. Die Puppenspielerin Nora Raetsch gehört zu ihnen und hat jetzt mit ehemaligen Mitstreitern ein neues Projekt auf die Beine gestellt. Aber nicht nur mit diesen, sondern vor allem mit der italienischen Compagny Residui Teatro.

Dessen Regisseur Gregorio Amicuzi lernte sie vor zwei Jahren in Sofia kennen und bald entstand der Wunsch nach Zusammenarbeit. Fühlt sich doch das 1999 in Rom gegründete Residui Teatro dem „physischen Theater“ – das auf der Sprache des Körpers als Hauptinstrument des Darstellers beruht – verbunden. Bei Amicuzi beginnt jedes Projekt mit einer Frage. Dass es diesmal ausgerechnet die nach dem Schrecken war, erzählt der temperamentvolle 32-Jährige, dessen Theatersprache von Italo Calvino, Julio Cortázar und Samuel Beckett beeinflusst wird, bei den Endproben in der fabrik. Nicht nur das Buch „Gomorrha“ seines Landsmannes Roberto Saviano bewegten ihn dazu, sondern ausgerechnet eine Weihnachtssendung im italienischen Fernsehen, in der sich eine elegante Moderatorin über Kinderelend in Afrika äußerte, ließen ihn fragen, was wir eigentlich als Schrecken empfinden.

Freunde und Bekannte dachten dabei zuerst an Horrorfilme, doch das war dem engagierten Theatermacher zu wenig. Spielten in seinen Projekten doch immer wieder Akteure mit, die als Krankenhausclowns mit wirklichen Katastrophen konfrontiert waren und das Residui Teatro hat auch mit der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ zusammengearbeitet. Im jetzigen Gemeinschaftsprojekt, das den Titel „Chambers of Horrorcircus“ trägt geht es, wie Nora Raetsch und Gregorio Amicuzi einhellig sagen, um die Momente, in denen wir in Ohnmacht sind. Doch viel mehr wollen sie eigentlich nicht verraten. Lebt doch gerade die Angst zu einem Großteil von dem, was man vorher nicht weiß.

Ein halbes Dutzend inszenierter Räume, wie beispielsweise ein weißes Zelt, auf dessen Boden sich Sand befindet oder eine rot ausgeschlagene Messiewohnhöhle erwarten die Theaterbesucher. Im Zelt geht es um Schichten der Vergangenheit und in der Wohnung versucht jemand, Ordnung in die vielen Kisten respektive die Katastrophen dieser Welt zu bringen. Die Besucher werden also in einer „Landschaft“ unterwegs sein, die sie durch verschiedene Bilder des Horrors führt. Man kann nicht verloren gehen, verspricht Nora Raetsch. Denn die Emotionen sind komponiert und versprechen mithilfe vieler Brüche zu einer Achterbahn der Gefühle zu werden. Sich allerdings zurücklehnen und unbeteiligt bleiben wird niemand bei diesem interkulturellen multimedialen Spektakel, das ein Jahr lang vorwiegend mithilfe moderner Kommunikationsmittel vorbereitet wurde und dessen acht Mitspieler sich erst vor drei Wochen leibhaftig begegneten.

Nach einer „ruhigen“ Proben- und Kennlernwoche in Petzow bei Ulrike Schlue zog die viersprachige Mannschaft in die fabrik. Nora Raetsch, die wie der Regisseur selbst mitspielt, gibt noch den Rat, hochhackige Schuhe und das kleine Schwarze doch besser zu Hause im Schrank zu lassen. Außerdem ist es ratsam, vorher Plätze zu reservieren, da immer nur 60 Zuschauer pro Vorstellung die „Schreckenskammern“ erleben könnten.

Premiere am Donnerstag, dem 10. September, 20 Uhr in der fabrik, Schiffbauergasse, Eintritt 12/erm. 9 €, bis 16 Jahre 5 €.

AstridPriebs-Tröger

Zur Startseite