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Von Astrid Priebs-Tröger: Und raus bist du ...

Tschechisches Tanztheater und ein sprachmusikalisches Feuerwerk bei Unidram

Eene meene muh, und raus bist du. Man konnte sich durchaus an den alten Kinderabzählreim am Samstagabend im T-Werk erinnern, als die 2006 entstandene Tanztheaterproduktion „Portrait“ der rumänischen Choreografin Ioana Mona Popovici beim 15. Internationalen Theaterfestival Unidram ihre Deutschland-Premiere hatte. Nicht, dass die tschechischen Tänzer der Gruppe „Nanohach“ diesen direkt wiedergaben, aber ihre 50-minütige Aufführung fand kraftvolle und verstörende Bilder für genau diesen Vorgang.

Zwei Männer (Michael Vodenka und Honza Malik) und drei Frauen (Anna Caunerova, Lea Capkova und Marta Trpisovska) treffen im ersten Teil der Inszenierung fast wie auf einem Spielplatz oder einem Schulhof in immer wieder wechselnden Konstellationen zusammen. Doch sie sind fünf und irgendwie ist das immer einer oder eine zuviel. Man kennt das. Drei Freundinnen kommen kaum auf einen gemeinsamen Nenner. Anfangs unbewusste Mechanismen von Manipulation, Demütigung und Ausgrenzung werden schon in jungen Jahren eingeübt und auch schmerzlich am eigenen Leib erfahren. Das prägt. Und Erwachsene benutzen später die gleichen „Spielchen“, um sich jetzt gezielt im privaten oder beruflichen Leben Vorteile zu verschaffen.

Ioana Mona Popovici gelingt in „Portrait“ eine archaisch anmutende, sehr überzeugende individuelle und gesellschaftliche Charakterstudie. Wunderbar kontrastiert wird dieses „menschliche“ Verhalten durch sein tierisches Pendant. Ein echtes Aquarium schwebt am Bühnenhimmel und mehrere große Fische müssen in diesem engen Gehäuse miteinander auskommen. Faszinierend, welche Assoziationen und Erinnerungen sich bei so einer direkten Gegenüberstellung beim Betrachter einstellen. Nahezu atemlos folgte das Potsdamer Publikum dem beziehungsreichen Geschehen und es brauchte eine ganze Weile, um aus der betroffen machenden, dichten Atmosphäre wieder aufzutauchen, um begeistert zu applaudieren.

Mit einem anderen, aber ebenso wohlbekannten „Spielchen“ wurden die Zuschauer in der zweiten Aufführung des Abends konfrontiert. Die vier Schauspieler Zita Morávková, Pavol Smolárik, Anna Synková und Daniel váb der Prager Gruppe „Boca Loca Lab“ zeigen in ihrem sprachmusikalischen Feuerwerk „Tiká, Tiká, Politika“, wie aus Menschen Politiker und aus deren hehren Idealen irgendwann leere Phrasen werden.

Großartig, wie die vier uniformen Gestalten mit ihren „Jandlschen“ Wortkaskaden und den daraus entstehenden Sounds demonstrieren, wie Politik im eigentlichen Wortsinn tickt. Klasse, was man schon allein mit diesem einzigen Wort „Politika“, wenn man es sich richtig auf der Zunge zergehen lässt, anstellen kann. Regisseur Jiri Adamek, der „Boca Loca Lab“ vor wenigen Jahren gegründet hat, erhielt für seine experimentell musikalisch-szenischen Kompositionen vor kurzem auf dem New Wave Festival den „Personality of the Year“ Award im Bereich alternatives Theater in Tschechien.

Das mit viel Beifall aufgenommene, in Deutschland zum ersten Mal präsentierte Konzert im Rahmenprogramm von Unidram machte unbedingt Appetit auf weitere Kostproben dieser extravaganten Sprachartisten aus unserem Nachbarland.

Astrid Priebs-Tröger

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