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Timo Draheim zeigte in seiner Performance under pressure, wie er sich als Heranwachsender mit den Ge- und Verboten der Erwachsenenwelt konfrontiert sieht.

© Manfred Thomas

Von Astrid Priebs-Tröger: Kraft- und humorvoll

Oxy and friends: Modern Dance und Street Art begeisterten im T-Werk

Anja Kozik, die Leiterin der Oxymoron Dance Compagny, macht es richtig. Sie lädt regelmäßig unbekannte junge Talente ein und gibt ihnen die Gelegenheit, sich zu präsentieren. Davon profitiert sie selbst und auch ihre Gäste.

Für die fünf „Alexanderboys“ aus Berlin war es am Freitagabend der überhaupt erste Auftritt in einem Theater. Ansonsten treten die 18- bis 22-jährigen Street Art-Tänzer, die aus Ghana, Mexiko und der Türkei stammen, seit einem Jahr in dieser Formation auf diversen Plätzen in Berlin auf. Da gibt es kurz vorher höchstens eine Ankündigung im Netz. Aber auch am Freitagabend wusste keiner der Zuschauer, was ihn eigentlich erwartete.

Denn geplant war, dass „U-Gin“ Boateng mit „Der Tod und das Mädchen“ beim diesjährigen dritten „Oxy and friends“-Abend mit dabei ist. Da er sich aber kurz vorher verletzte, wurde unkonventionell umdisponiert. Und Prince, der ebenfalls Tänzer bei Oxymoron ist, schlug die fünf Jungs und ihren temperamentvollen rastalockigen Schlagzeuger vor, den letzten Teil des dreiteiligen Abends zu bestreiten, der durch seine ungewöhnliche Dramaturgie und die Unterschiedlichkeit der einzelnen Darbietungen auch „Uneingeweihte“ überzeugte. Denn die Frische und der Esprit, mit denen sich die jungen Tänzer präsentierten, waren einfach mitreißend. Das gab schon mal einen Vorgeschmack auf das, was Anja Kozik eigentlich vorschwebt: Sie will in Potsdam mittelfristig ein Festival für jungen Tanz ins Leben rufen. Und dabei eine Brücke in den Ruhrpott nach Herne schlagen, wohin es schon beste Verbindungen und ein eigenes Urban Street Art Festival gibt.

Doch unter Druck, so wie Timo Draheim in seiner Performance „under pressure“, ist sie dabei nicht. Der nämlich sieht sich als Heranwachsender mit den Ge- und Verboten der Erwachsenenwelt konfrontiert. Unzählige Vorschriften müssen beachtet, vielfältige Kulturtechniken sollten erlernt werden. Das hinterlässt nicht nur in der Seele, sondern auch im Körper Spuren. Gesten der Anpassung und des Aufbegehrens wechseln einander ab und besonders schweißtreibend wird die „zweite Geburt“ des jungen Mannes, wenn er kraftvoll die „Fruchtblase Elternhaus“ durchstößt. Doch auch danach ist noch genug zu durchkämpfen, in der Liebe, der Partnerschaft und bei der alljährlichen Steuerklärung. Bei alledem noch auf die eigene innere Stimme zu hören, ist auch für den Zuschauer fast unmöglich, weil in Draheims kraft- und humorvoller Darbietung das gesprochene Wort den Tanz zu verdrängen droht.

Ganz auf die Sprache des Tanzes setzen hingegen Christine Joy Alpuerto Ritter von Oxymoron und Julio Cesar Iglesias aus Havanna. In ihrer tänzerisch und erzählerisch ausgereiften Beziehungsstudie „And what happens after“ (Regie: Denis Kuhnert) lassen sie das Auf und Ab einer Liebesbeziehung in eindrücklichen Körperbildern entstehen. Ihr expressiv-moderner Pas des Deux, der anfangs sinnlich, stark und gleichrangig ist, steigert sich in Wut, Verzweiflung und Zerstörung. Da beide auch für Abhängigkeit, Verwobensein, Innigkeit und Erniedrigung großartige sinnliche Bilder finden, bleibt der Zuschauer am Ende berührt und verstört zurück.

Und weil sie in dieser Beziehung im Wortsinn viele Federn lassen, greift Anja Kozik danach eigenhändig zum Besen und macht die Bühne frei für die temperamentvollen Jungs aus Berlin, die mit hohem Körpereinsatz und viel Witz am Freitagabend die Zuschauer im leider nur halbvollen Theatersaal mit ihren kleinen „Beziehungsgeschichten“ und dem synchronen Dreier-Seilspringen vollauf begeistern können.

Astrid Priebs-Tröger

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