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UnARTich zwischen Galerie, Theatersaal und KuZe-Kneipe: Mit einer textilen Performance von Marie Zaubert (links), Musik von  Stonehenge, Julia Brömsels Art-Memo und den dunklen Gedichten von der jungen Iranerin Paniz Musawi-Natanzi (rechts von oben nach unten).

© Manfred Thomas

Von Astrid Priebs-Tröger: Jeder zeigt, was er kann

Ambitioniert und liebenswert chaotisch: UnARTich mit „Flaschengeist“ und „Trash Puzzle“ zum zweiten Mal im Kunstwerk

Ein frech-sympathisches Mädchengesicht ist das Erkennungszeichen. Es ist als Schwarz-Weiß-Druck auf den T-Shirts der zahlreichen Helferinnen zu sehen. Irina Maslennikowa, die Mitorganisatorin des zweiten unARTich-Events, das am Wochenende im Kunstwerk in der Hermann-Elflein-Straße stattfand, hat dieses einprägsame Comic-Gesicht in ihrer Ausbildung als gestaltungstechnische Assistentin ursprünglich als Linolschnitt entworfen. Jetzt trägt es die 24-Jährige selbst auf der Brust und wuselt ab dem frühen Nachmittag ständig zwischen den Galerieräumen, dem Theatersaal und der KuZe-Kneipe hin und her, um die zahlreichen Aktionen von unARTich sowohl zu koordinieren als auch anzukündigen.

Das tut sie mit viel Aufmerksamkeit, aber auch bewusst unkonventionell. Mitmachen kann bei unARTich eigentlich jeder, der ausstellen will und so finden sich in den drei Kunstwerk-Etagen jede Menge Bilder, Fotografien, Grafiken und Collagen, die sowohl von gestandenen Potsdamer Künstlern wie Gosha Nagashima-Soden, Julia Brömsel oder Sabine Raetsch stammen als auch eine Vielzahl unbekannter Namen.

Ein großer Pluspunkt: Die Exposition ist ziemlich international. Am Samstagnachmittag kann man kaum unterscheiden, was von wem stammt, denn anders als in jeder „normalen“ Ausstellung stehen hier weder Namen noch Titel unter den Bildern. Das sei Absicht, sagt die quirlige Organisatorin, die zudem eine Auktion ankündigt. Hier sollen sich die Unterschiede zwischen Profis und „Laien“ aufheben, jeder soll einfach zeigen, was er kann.

Das tut auch die junge Iranerin Paniz Musawi-Natanzi. Die Berliner Studentin der Politikwissenschaft schreibt in ihrer Freizeit und hat im Kunstwerk, wie sie hinterher bekennt, zum ersten Mal öffentlich gelesen. Sie überrascht mit scharfer Beobachtungsgabe und kritischer Analyse gesellschaftlicher Zustände. Doch ihre ziemlich „dunklen“ Gedichte waren nicht für alle Besucher, die sich im obersten Galerieraum zum Kaffeetrinken niedergelassen hatten, das passende vorweihnachtliche Unterhaltungsprogramm. Aber das ist auch gar nicht die Absicht von unARTich, das zwar in diesem Jahr auch wieder eine ganze Menge potenzieller Weihnachtsgeschenke – Linolschnittkalender, handbedruckte Beutel, ein Kunst-Memory oder Ohrringe aus plattgehämmerten Kronkorken – offeriert, aber ansonsten nicht viel mit Vorweihnachtsstimmung am Hut hat.

UnARTich versteht sich vor allem als Plattform für ungewöhnliche Kunstformate, die an diesem Abend aus bisher vorwiegend privaten Räumen an die Öffentlichkeit gelangen. Beispielsweise das literarische Projekt „Flaschengeist“, das Yvonne Hähnisch und Mignon Krüger erst vor wenigen Wochen in Potsdam kreiert haben oder die Bild-Text-Collagen des Berliner Trios „Trash Puzzle“. „Flaschengeist“ ist der Versuch, ohne an einen Verlag gebunden zu sein, eigene literarische Texte zu veröffentlichen und unkonventionell zu verbreiten. Yvonne und Mignon haben im Potsdamer Café 11-line damit angefangen, ihre amüsanten Kurzgeschichten unters Volk zu bringen und erzählen nach ihrer halbstündigen Lesung, dass es sogar schon Abonnenten für die selbst verkorkten 175 Milliliter-Fläschchen, die jeweils 5,70 Euro kosten, gibt. Die Akteure von „Trash Puzzle“ knien hingegen neben ihrem altertümlichen Episkop, einem riesigen Projektor, und sortieren unentwegt Texte und Zeitschriftenbilder sowie eigene Zeichnungen, die auf ein stetig laufendes „Förderband“ unter dem Episkop gelegt werden und eine Endloscollage ergeben sollen. Diese ist wiederum Teil der groß angekündigten Digitalgalerie, die im Raum über der KuZe-Kneipe über zwei Bildschirme und eben so viele Projektionsflächen flimmert und von E-Gitarrenklängen untermalt wird. Allerdings sieht es um diese späte Stunde so aus, als würde sie kaum jemand wahrnehmen. Die meisten jugendlichen Besucher stehen unten in der Kneipe. Oben sitzt kaum jemand, nur einer hat sich lang auf einem Sofa ausgestreckt und schläft, trotz lautstarker kakofonischer Klänge, den Schlaf des Gerechten. Im Theatersaal hingegen hat der Potsdamer Gitarrist Helge Sauer gerade seinen Auftritt und findet viel Anklang beim studentischen Publikum, das an diesem Abend noch mehr als ein halbes Dutzend Bands, unter ihnen „Stonehenge“ oder „Grandma’s Finest“, zu hören bekommen soll. Summa summarum: UnArtich überzeugt mit seinem ambitioniertem Anspruch, die Organisation ist gerade noch „liebenswert“ chaotisch, die Kommunikation mit dem Publikum leider mangelhaft.

Die Ausstellung unARTich ist im Kunstwerk noch bis zum 16. Januar zu sehen, die Exponate können käuflich erworben werden.

Astrid Priebs-Tröger

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