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Von Astrid Priebs-Tröger: Ganz entspannt

Die 1. Lange Nacht der Kultur in der Schiffbauergasse zog alle Generationen an

Vor mehr als fünfzehn Jahren entwickelte der damalige Intendant des Hans Otto Theaters, Guido Huonder, eine kühne Vision. Auf dem damals wüsten Gelände der Schiffbauergasse entstand vor seinen Augen ein florierendes kulturelles Zentrum. Diejenigen, die an den extra veranstalteten Führungen teilnahmen, werden sich auch heute noch gut an ihre eigene Skepsis erinnern können. Doch Huonder sollte recht behalten. Vor wenigen Tagen wurde das Potsdamer Zentrum für Kunst und Soziokultur offiziell seiner Bestimmung übergeben. Am Samstag fand aus diesem Anlass die 1. Lange Nacht der Kultur auf dem Gelände am Tiefen See statt.

Und das Programm war vollgepackt. Bereits um 15 Uhr gab die fabrik den Startschuss nicht nur für ihre eigene kommende Saison. Mit offenen Angeboten in Swing, Modernem Tanz und Improvisation, einem Tanzparcours für Eltern und Kinder sowie Vorführungen am Trapez konnten sich Tanz- und Bewegungsinteressierte aller Altersklassen mit den Kursinhalten des Internationalen Zentrums für Bewegungskunst vertraut machen.

„Es war ein gutes Kommen und Gehen“, sagte Anja Kozik, die künstlerische Leiterin des Tanzstudios Offizze. Die mit bunter Kreide bemalte Freifläche vor dem Studio zeugte noch am frühen Abend davon, dass viele Kinder da gewesen sein müssen. Selbst um diese Zeit trainierten noch einige von ihnen mit Luciano Leão die Grundlagen des Capoeira.

Eher „durchwachsen“ war die Resonanz auf das Projekt „Passage“ der kanadischen Tänzerin Marie-Claude Poulin, das als eine für Zuschauer begehbare Performance auf der großen fabrik-Bühne drei Stunden lang gezeigt wurde. Zwischen weißen Projektionsflächen mit wechselnden abstrakten Bildern bewegte sich eine ziemlich „außerirdische“ weißgekleidete Tänzerin, die ab und zu Kontakt mit den Zuschauern aufnahm. „Verloren im Rätsel“ fühlte sich eine Besucherin, die versucht hatte, die an mehreren Stellen installierten Sensoren zu bedienen und damit keine merklichen Reaktionen erzielte. Wie sie verließen nicht wenige Zuschauer schon nach wenigen Minuten den künstlich geschaffenen Raum, der zudem mit unidentifizierbaren Tönen und Geräuschen, die mal an Gedröhn und mal an Windgeräusche beim Fliegen erinnerten, beschallt wurde.

Sie hatten die Möglichkeit, entweder den jungen Graffiti-Künstlern vor dem langen Zaun an der Open Air Bühne über die Schulter zu schauen oder im Foyer der Waschhausarena der beliebten Potsdamer Band Kitchen Groove zu lauschen. Im benachbarten Museum Fluxus+ versammelten sich um diese Zeit vor allem die etwas reiferen Besucher, die der Livemusik von Otto Hamborgs Connexion-Quartett zuhörten und dabei ganz entspannt Kaffee und Wein tranken oder im Museumsshop stöberten. Kunstsammler Heinrich Liman war jedenfalls zufrieden, dass den ganzen Tag über etwa 200 Besucher dem Privatmuseum einen Besuch abgestattet hatten. Glücklich war auch Hendrik Röder vom Brandenburgischen Literaturbüro, als die Hörspielpremiere von „Megadeal süß-sauer“ im nahezu vollbesetzten Waschhaus um 20 Uhr über die Bühne ging. Die Groteske über den Verkauf Ostdeutschlands an China und die darauffolgende Umgestaltung in ein realsozialistisches Ferienparadies für altgediente chinesische Kader erheiterte hörbar die Gemüter. Sie hätte aber durchaus noch Zuspitzungen und einige Kürzungen vertragen können.

Wer keine Lust mehr hatte, der anschließenden Diskussion mit den Hörspielautoren zu lauschen, konnte sich wiederum in die fabrik begeben. Die hatte nämlich zum Großen Tangoball eingeladen und es war erstaunlich, wie viele Potsdamer zwischen 20 und 65 zur Musik des Berliner Frauentrios „Muzet-Royal“ den Tanz der Tänze gekonnt auf“s Parkett legten.

Diese entspannte und fast familiäre Atmosphäre prägte die gesamte Kulturnacht. Und auch wenn herausragende Highlights, die möglicherweise mehr Besucher von außerhalb angezogen hätten, fehlten, konnte man ohne Mühe den ganzen Abend auf dem weitläufigen Areal genießen. Mit ein wenig mehr Marketingideen und -aufwand sowie einem anderen Termin – zeitgleich fand die beliebte Babelsberger Livenacht statt – sind durchaus noch mehr Menschen an den abwechslungsreichen Kulturstandort zu locken.

Astrid Priebs-Tröger

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