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Von Astrid Priebs-Tröger: Emotionaler Schwebezustand

Matthias Luthardts zweiter Film hatte im Filmmuseum Potsdam-Premiere

Wasser spielt eine Hauptrolle. Es ist real und als Metapher ständig präsent. Matthias Luthardts zweiter Spielfilm nach seinem vielbeachteten Erstling „Pingpong“, der am Dienstagabend beim Aktuellen Potsdamer Filmgespräch im Filmmuseum gezeigt wurde, misst diesem fließenden, beständigen und zugleich unergründlichen Element eine große Bedeutung zu.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Helene. Eine Frau Mitte 30, die vor einem Jahr ihren Mann verloren hat. Robert ist bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen. Doch seine Leiche ist nie gefunden worden. Helene lebt „einfach“ ihr gewohntes Leben weiter. Mit den Kindern, einem attraktiven Job und im schicken Ökohaus.

Und nichts scheint Helene aus ihrer gewohnten Bahn zu werfen. Bis sie während eines Konzertes den vermissten Ehemann wieder trifft. Das jedenfalls „glaubt“ sie. Nicht nur, weil Torben (Pasquale Aleardi) aus Perth ihrem Robert zum Verwechseln ähnlich sieht. Eine Nacht lang versucht die sonst so beherrschte kühle Schöne (Franziska Petri), den „fremden“ Mann wieder zu gewinnen. Denn dass sie ihn schon vor dem eigentlichen Unglück „verloren“ hat, wird in den genau abgezirkelten Rückblenden im Film deutlich.

Matthias Luthardt entwirft in „Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf“ das Porträt einer „modernen“ Frau: selbstbewusst, willensstark, emotional unterkühlt und einsam. Die völlig unerwartete Begegnung löst jedoch nicht nur in ihr, sondern auch in ihrem Gegenüber unerwartet starke Emotionen aus. Torben ist fasziniert von der Stärke und Unbedingtheit dieser Frau und lässt sich auf die ungewöhnliche Situation, die er lange als Spiel betrachtet, mit für ihn unabsehbaren Konsequenzen ein. Helene hingegen ist neu entflammt und ihre bisherigen Verdrängungs- und Abwehrmechanismen sind zusammengebrochen.

Der Film, der nach dem gleichnamigen Roman von Andrea Paluch und Robert Habeck entstand, lässt den Zuschauer in puzzleartigen Kammerspielszenen sowohl die frühere als auch die aktuelle Beziehung zu diesem „Robert“ miterleben. Lange wird man in einem emotionalen Schwebezustand, der sich auch auf das Potsdamer Publikum übertrug, gehalten: darüber, was jetzt „wirklich“ ist.

Doch das „fatalistische Ende“, so drückte es Moderatorin Jeanette Eggert jedenfalls im anschließenden Filmgespräch aus, kommt nicht ganz unerwartet. Denn anders, als in der Romanvorlage, die Matthias Luthardt anfänglich als „zu psychologisch, zu subjektiv und zu konstruiert“ empfand, hat er sich für einen sehr konsequenten, und für ihn stimmigen Schluss entschieden. Dahin kam er, indem er gemeinsam mit seinem Cutter Florian Miosge „viel probierte“ und sich nach zwei ganz unterschiedlich gedrehten Schlüssen für genau diesen entschied.

Der im Gespräch überraschend zurückhaltende 36-jährige Filmemacher, der Absolvent der Babelsberger Filmhochschule ist, gab auch noch jede Menge Einblicke in seine Arbeitsweise und seine Ansprüche an Castings. Denn sein zweiter Film, lebt genau wie „Pingpong“ vor allem vom Spiel der perfekt besetzten Darsteller. Und die pointierte Innensicht einer Paarbeziehung, die sich - wie Wasser - ändert und doch treu bleibt, schließt nahezu nahtlos an seinen Erstling an.

Als nächstes arbeitet der Regisseur Matthias Luthardt, der bei der kommenden Berlinale Präsident der „Dialogue en perspective“-Jury sein wird, an einem Stoff, der die Sinnsuche eines jungen Kriegsheimkehrers nach Berlin zum Thema hat.

Astrid Priebs-Tröger

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