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Von Astrid Priebs-Tröger: Die Qual der Wahl

Die 6. Lange Nacht der Freien Theater im T-Werk bot ein opulentes Menü

Es war wie ein mehrgängiges Festessen. Ungefähr sechs Stunden brauchte man, um vom Großteil des theatralischen Angebots wenigstens eine Kostprobe zu erhaschen. Denn in diesem 6. Jahrgang der Langen Nacht der Freien Theater Brandenburgs, die am Samstagabend im T-Werk stattfand, hatten sich acht verschiedene Theatergruppen sowie der Berliner Figurentheaterspieler Bruno Pilz und das Potsdamer MontagsOrchester angesagt. Und jede Menge Zuschauer, vom Vorschulkind bis zur Großmutter, die am reichgedeckten Tisch Platz nehmen wollten. Oft gelang das nur noch auf dem Fußboden oder auf extra dazugestellten Stühlen. Denn lange Nächte sind mittlerweile ein Dauerbrenner im T-Werk.

Selbst, wenn wie in diesem Jahr, viel Bekanntes aufgetischt wurde wie das „Ilsebill-Erzähltheater“ nach den Grimms vom gastgebenden T-Werk oder „Der Tod und das Mädchen“ von der Tanzcompagnie Oxymoron. Beides zu Recht viel gelobte Inszenierungen, die wirksam den Appetit anregten. Um aber mehr Platz im Magen zu haben, konnte man den Abend auch erst zwei Stunden später beginnen. Mit einem leckeren Süppchen, wie es die Ankündigung des Brandenburger „event-theaters“ mit „Soirées Musicales bei Rossini“ versprach. Aber ganz so spritzig wie erhofft kam dieser Magenöffner dann doch nicht daher, obwohl die Primadonna (Sopran: Monika Stache) und der Pianist (Dmitri Pavlov) mehr als nur ihr Handwerk beherrschten. An Hank Teufer als moderierender Maestro Rossini war aber leider zu wenig italienische Raffinesse.

In der Schinkelhalle servierten die vielsprachigen Mimen vom Werderaner „Ton & Kirschen Wandertheater“ gegen 21 Uhr den ersten Hauptgang. Und nicht nur weil Papa Ubu (David Johnston) so überaus fett war, sollte einem dieser wunderbar groteske Satansbraten bald nachhaltig im Magen liegen. Grandioses Bildertheater mit stark reduziertem Text ließ das zeitlose Wesen dieser monströsen Herrscherfamilie glasklar neben der abgestürzten Möwe in der hölzernen Arena zurück. Etwas Ähnliches passierte, wenn man danach, auch wenn schon „Ubu“ so viel Substanz hatte, gleich noch den Hamlet des „Poetenpacks“ ansteuerte. Denn der versprach beim schwarz-weiß-roten „RACHE“-Showdown jede Menge Dramatik, die beim „Kabarett der Masken“ des Theater Nadi so wohl nicht zu erwarten war. Und wann hat man schon mal die Gelegenheit, an einem Abend drei Klassiker der Theaterliteratur wenigstens ausschnittsweise hintereinander zu sehen?

„Hamlet“ also als weiterer Hauptgang in diesem opulenten Abendmenü, das auf beeindruckende Weise einen vielfältigen und ziemlich schmackhaften Querschnitt durch die (Koch)Kunst der mehr als 20 Freien Theater im Land Brandenburg präsentierte. Bei dem man immer wieder die Qual der Wahl hatte, sich für das „Richtige“ zu entscheiden. Fein raus war die Mädchengruppe, die sich irgendwann nicht weiter darüber stritt, sondern einfach dem Geburtstagskind unter ihnen die Entscheidung überließ. Schiller oder Goethe, „Räuber“ oder „Faust“ war dann immer noch für mehr als 200 Zuschauer die abschließende Frage.

Wem es gelang, sich in die proppenvolle Probebühne zu zwängen, der hatte wirklich nichts falsch gemacht. Denn das Frankfurter „Theater des Lachens“ präsentierte eine ebenso eigenwillige wie kurzweilige Adaption dieses Stoffes, der nicht nur durch die Puppenspielkunst, sondern durch die überaus zeitgemäße Fragestellung und deren theatralische Umsetzung überzeugte. Großartig, wie die zwei Schüler dabei nicht nur die Figur des Faust einer kritischen Analyse unterziehen, sondern auf der Suche nach Hausaufgabenhilfe sich selbst in den Weiten des Worldwide Web verlieren. Davon hätte man gern noch mehr als nur die gute halbe Stunde gesehen.

Astrid Priebs-Tröger

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