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Von Astrid Priebs-Tröger: Die Herstellung von Zweifeln

Tanzaufführungen, Performances, Konzerte und ein Film im „Herbstleuchten“ in der fabrik

Colette Sadler ist viel unterwegs. Die schottische Tänzerin und Choreografin arbeitet parallel an verschiedenen internationalen Tanzprojekten und pendelt selbstständig zwischen Glasgow und Berlin. Das sei normal in der Szene, sagt die schmale 34-Jährige und darum ist sie froh, dass es in Potsdam die fabrik und ihr seit zwei Jahren bestehendes Programm „Artists-in-Residents“ gibt. Denn hier ist Raum, sich in Ruhe neue Projekte auszudenken oder bestehende zu Ende zu bringen. Im Februar war sie bereits drei Wochen hier und konnte konzentriert mit vier jungen Tänzern, die sich bis dahin nicht kannten, an ihrer Tanzperformance „The Making of Doubt“ arbeiten. Die Perforamnce erlebte nach Proben im Mai ihre Premiere in Glasgow und wird heute und morgen während der diesjährigen Werkschau der Potsdamer Residenzen gezeigt.

Doch gestern herrscht noch Probenatmosphäre auf der großen Bühne in der fabrik. Die Tänzer erwärmen sich, die Choreografin gibt ihnen letzte Anweisungen. Musik und Licht für die Aufführung fehlen noch. Als dann der Durchlauf beginnt, sitzen plötzlich sechs Protagonisten mit dem Rücken zum Publikum auf der Bühne. Alle sind mit ähnlichen Stoffhosen, dunklen Kapuzenshirts und Turnschuhen bekleidet. Und eine ganze Weile ist nicht klar, welches von ihnen die Puppen sind. Denn ebensolche spielen mit in der Performance, die selbst wiederum mit der Wahrnehmung der Zuschauer und der Herstellung von Zweifeln spielt. Colette Sadler wurde durch ein Foto von sich selbst, das sie zusammengekrümmt unter einem Stuhl ohne ihr Gesicht zeigte, dazu angeregt, sich mit dem Thema Wahrnehmung genauer zu beschäftigen.

Auch inspiriert durch Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“, mit dem der deutsche Maler Anfang des vergangenen Jahrhunderts die korrespondierenden Beziehungen zwischen Figur und Raum erkundete, ließ die Choreografin zwei lebensgroße Puppen aus Schaumstoff und einem Holzskelett bauen. Das macht diese nicht nur sehr beweglich, sondern es eröffnet auch ungeahnte Möglichkeiten im Spiel zwischen dem menschlichen und den Puppenkörpern. Noch größer wird die Überraschung, wenn die vier Tänzer, nachdem sie hinter zwei riesigen beweglichen „Paravents“ verschwunden waren, sich allesamt verwandelt ihrem Publikum präsentieren. Dreiarmige und -beinige Gestalten lassen ungewöhnlichste Figuren und vielschichtige Assoziationen zu. Das sei nicht nur für tanzinteressierte Zuschauer faszinierend, sagt Colette Sadler, die nach der Glasgower Premiere begeisterte e-mails von Menschen, die noch nie Tanz gesehen hatten, bekam.

Doch „Herbstleuchten“, so der Name der gesamten Werkschau von Potsdamer Residenzen dieses und des vergangenen Jahres, hat noch weitere Höhepunkte im Programm. Beispielsweise wird morgen nach der Tanzperformance außerdem der experimentelle Film „One Hand on Open“, der im Februar auf der Berlinale zur Premiere kam und ebenfalls in der Potsdamer fabrik gedreht wurde, gezeigt.

Das gesamte Programm unter www.fabrikpotsdam.de

Astrid Priebs-Tröger

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