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Von Astrid Priebs-Tröger: Das Seelenleben einer Chefsekretärin Marlene Jaschke begeisterte im Nikolaisaal

Sie ist ein Unikum. Im beigefarbenen Kostüm, mit roter Seidenbluse und gleich-farbigem Topfhut begeistert sie landauf landab ihr Publikum.

Sie ist ein Unikum. Im beigefarbenen Kostüm, mit roter Seidenbluse und gleich-farbigem Topfhut begeistert sie landauf landab ihr Publikum. Die Figur der schrullig-liebenswerten Chefsekretärin Marlene Jaschke ist vor über 20 Jahren im Rahmen von André Hellers Programm „Luna Luna“ erfunden worden. Und seitdem nicht mehr totzukriegen. Die Komikerin und Schauspielerin Jutta Wübbe verkörpert sie mit typisch hanseatischem Naturell und ebensolcher Aussprache und hatte auch am Dienstagabend, im bis unters Dach besetzten Nikolaisaal, die Zuschauer in Sekundenbruchteilen für ihre Protagonistin eingenommen.

Und Chefsekretärin Marlene tat sogleich, was sie seit ihrer Erfindung immer tut: Sie erzählt mit außerordentlicher Naivität und zudem überzeugender Körpersprache aus dem „kleinen“ Alltagsleben dieser scheinbar alterslosen Dame, die vor allem anderen ihre eigenen vier Wände und den Wellensittich Waltraut liebt. Wenn sie nicht gerade von ihrem seit 23 Jahren verehrten Arbeitskollegen Siegfried Tramstedt schwärmt oder ihren überaus ungeliebten Schwager Werner zum Teufel wünscht. Dazwischen gibt es massenhaft Gesundheitstipps – von ausreichendem Wassertrinken bis hin zu Beckenbodengymnastik – für eingerostete Zeitgenossen und Pianist Volker Griepenstroh muss sogar seinen angestammten Platz verlassen und auf allen Vieren eine wirkungsvolle Entspannung für verhärtete Rücken demonstrieren. Außerdem begleitet er sie kongenial bei ihren zahlreichen Gesangseinlagen, die wunderbar schräg selbst vor Rock’n Roll und großer Verdi-Oper nicht kapitulieren.

Marlene Jaschke macht auch vor den Zuschauern nicht halt. Schon nach wenigen Minuten drängelt sie sich charmant durch die komplette dritte Sitzreihe und verteilt nicht nur an Männer so subtil wirkende Komplimente wie „Sie duften aber gut! Sind Sie auf der Suche?“ Doch auch das Potsdamer Publikum an diesem Faschingsdienstag nimmt ihr keinen ihrer Scherze krumm, sondern goutiert diese immer wieder durch Lachen und begeisterten Szenenbeifall.

Schon die kleinste Geste ihrer ausgefeilten Körpersprache ruft wissendes und sehr oft verschwörerisches Gelächter hervor. Denn Jutta Wübbe beherrscht ihr Handwerk. 1985 schmiss sie ihren sicheren Job als Finanzbuchhalterin bei den Hamburgischen Elektrizitätswerken hin, um sich nach einem Clownsworkshop fortan dem Straßentheater zu widmen. Dabei sollte es nicht bleiben. Sehr bald feierte sie Erfolge mit ihren Auftritten in der Schmidt-Mitternachtsshow des Norddeutschen Rundfunks und im Hamburger Tivoli-Theater auf St. Pauli. 1991 erhielt sie dafür den renommierten Grimme-Preis. Und worin liegt das Geheimnis ihres Erfolges? Wahrscheinlich in der Treue zu sich selbst und zu ihrer Figur. Und ihr früherer beruflicher Erfahrungsschatz hat ihr dabei auch nicht geschadet.

Denn das Publikum ist drangeblieben an Marlene. Und auch wenn eine benachbarte Zuhörerin nach der Pause etwas enttäuscht meinte „es ist immer dasselbe“, stimmte sie doch kurz darauf enthusiastisch ihrer Freundin zu, die mit „mir jefällt einfach die Frau“ aussprach, was wohl viele im Saal bewegte.

Astrid Priebs-Tröger

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