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Im Konzert zu Hause. Der Potsdamer Dirigent Knut Andreas mit seinem Orchester Collegium Musicum bei einer Aufführung vor zwei Jahren in der Biosphäre.

© Manfred Thomas

Kultur: Vom Konzertsaal in die Lehre

Knut Andreas ist Dirigent, Dozent – und jetzt auch Honorarprofessor an der Fachhochschule Potsdam

Gerade erst hatte Knut Andreas beim 1. Michelangelo International Music Festival in Florenz den Preis für den besten Dirigenten gewonnen – sein Team, das Kammerensemble des Händel-Jugendsinfonieorchesters Berlin, wurde bei dem Wettbewerb im April bestes Orchester. Jetzt wurde Andreas, Musikwissenschaftler, Dirigent und Dozent aus Potsdam, der zudem seit 1998 Künstlerischer Leiter des Sinfonieorchesters Collegium Musicum Potsdam ist, zum Honorarprofessor der Fachhochschule Potsdam berufen. „Das ist eine große Ehre und eine sehr schöne Anerkennung meiner bisherigen Arbeit“, sagt der 38-Jährige. Am gestrigen Mittwoch fand die feierliche Ernennung in der FH-Potsdam statt. Neben Andreas wurde außerdem Andreas Bienert für die Lehrbereiche Kunstgeschichte und Digital Humanities zum Honorarprofessor bestellt.

Knut Andreas arbeitet seit sechs Jahren als Dozent für den Studiengang Kulturarbeit an der FH Potsdam, im Lehrbereich Ästhetik in Theorie und Praxis unterrichtet er Musikgeschichte, Musikmanagement und Orchestermanagement. Als Professor ist er künftig noch enger an die Fachhochschule angebunden und übernimmt mehr Verantwortung für sein Fachgebiet.

Die Arbeit mit den Studenten sei für ihn eine wichtige und spannende Ergänzung zu seiner Arbeit als Orchesterleiter und Dirigent in Potsdam, Berlin und im Ausland. „Es macht mir unheimlich viel Freude und ich kann zudem aus der Arbeit mit den Studenten viel für mich selber mitnehmen.“ Ein Beispiel: In einem Seminar über „Minimal Music“ war er überrascht, dass die Studenten ganz andere Dinge in den Hörbeispielen wahrnahmen, die Musik ganz anders erlebten. „So etwas macht mir dann viel Spaß.“

Ganz aktuell beschäftigen sich er und seine Studenten mit der Frage, wie sich das Musikmarketing verändert. Was also zu tun ist, um das Publikum in den Konzertsaal zu holen. „Hier findet zurzeit eine regelrechte Eventisierung statt“, sagt Andreas. Dabei werde nicht mehr die Musik an sich beworben, sondern die Performance an einem aufregenden Ort, als ein einzigartiges, ungewöhnliches Event. „Es gibt Konzerte im Bunker, in Fabrikhallen, Yoga-Konzerte, bei denen das Publikum auf dem Rücken liegt, sogar Babykonzerte. Aber geht es hier noch um die Musik oder um etwas ganz anderes?“ Sein Verhältnis zum neuen Musikmarketing ist dabei allerdings ambivalent: Solche neuen Ideen kann man gut finden, sagt er, weil sie neues Publikum ansprechen, aber möglicherweise verdrängen sie die Mechanismen des konservativen Konzertbetriebs, wo man wegen einer bestimmten Musik ins Konzert geht – nicht wegen eines geselligen Events.

Andererseits mache auch er selbst sich das zu Nutze – für das Collegium Musicum. Das jährliche Open Air Konzert Klassik am Weberplatz sei natürlich mehr als nur ein Konzert. Und bei den Operettenaufführungen sei sicherlich auch der Fakt, dass sie in der Biosphäre stattfinden, für manche Gäste ein entscheidender Faktor. Ihm ist es deshalb wichtig, abzuwägen. „Wo ist die Grenze? Man muss nicht alles mitmachen.“

Mit seinen Studenten, die längst nicht alle über fundiertes musikalisches Grundwissen verfügen, besucht er regelmäßig traditionelle Opernaufführungen, erhält von ihnen aber auch Inspiration aus dem sich rasant verändernden Kulturbetrieb und Veranstaltungsmarketing.

An der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis, zwischen Lehrbetrieb und Dirigieren, fühlt sich Knut Andreas gut aufgehoben. Das Publikum profitiert davon regelmäßig. Andreas ist ein Dirigent, dem man gerne zuschaut – und zuhört. In doppelter Hinsicht. Ihm gelingt eine Ansprache über die musikalische Performance seines Orchesters ebenso wie über eine feinfühlige, emotionale Moderation, wenn sie denn gebraucht wird. Mozart brauche keine erklärenden Worte, eine Sinfonie von Schostakowitsch möglicherweise schon, sagt er.

In erster Linie ist Knut Andreas aber Dirigent und das Entdecken, Aufspüren und Einspielen von seltener gehörten Stücken jenseits des Mainstreams ist seine große Leidenschaft. Das kann eine alte Operette sein, die er aus der Klamottenkiste holt, entstaubt und neu inszeniert oder Uraufführungen zeitgenössischer Komponisten wie von dem Potsdamer Gisbert Näther. Vor allem aber schaut er gerne ins Ausland und holt Stücke moderner Komponisten aus Nord- und Südamerika nach Potsdam. Die sogenannte Klassik sei zwar von Europa ausgegangen, inspirierte aber Komponisten in Japan ebenso wie in Brasilien, die in hiesigen Konzertprogrammen aber äußerst selten vorkommen.

Mit Brasilien verbindet Andreas besonders viel, er unterrichtet regelmäßig an dortigen Universitäten und hat in den vergangenen Jahren eine intensive musikalische Zusammenarbeit mit der brasilianischen Orchesterszene aufgebaut. Im Oktober 2016 spielte er dort eine CD ein mit Musik von Gisbert Näther und Frank Petzold, einem Komponisten aus Cottbus, sowie von zeitgenössischen brasilianischen Komponisten. Er tritt regelmäßig in Brasilien als Gastdirigent auf und holt dortige Musiker und Dirigenten nach Potsdam. Es ist ihm wichtig, den Menschen, seinem Publikum, Neues anzubieten, die ganze internationale Bandbreite. „Wir hören immer dasselbe, das ist schade.“

Als Dirigent schätzt er solche Auslandseinsätze auch, weil er dann den oft mühsamen und zeitaufwändigen organisatorischen Aufgaben entfliehen und sich nur auf seine rein künstlerische Arbeit fokussieren kann. „Ich darf mich ganz auf die Musik konzentrieren“, sagt Andreas. „Gastdirigent sein ist die schönste Sache der Welt.“ Mit fremden Orchestern zu arbeiten – zuletzt mit dem Radiosinfonieorchester in Slowenien – sei zudem immer eine Inspiration. „Man lernt sich selbst bei so einem Austausch immer wieder neu kennen, das tut der eigenen Arbeit und auch dem Orchester zuhause gut.“

Das nächste Konzert mit dem Collegium Musicum findet am 8. Juli um 20.30 Uhr bei Klassik am Weberplatz statt: „Trompetissimo“, Trompetenkonzerte von Joseph Haydn, Johann Nepomuk Hummel, Amilcare Ponchielli, einem italienischen Komponisten des 19. Jahrhunderts, und Alexander Arutjunjan, einem zeitgenössischen armenischen Komponisten. Solisten sind Philipp Hutter, Mitglied im Sinfonieorchester der Potsdamer Partnerstadt Luzern, und der brasilianische Trompeter Paulo Ronqui. Gastdirigentin ist zum wiederholten Mal die Brasilianerin Cinthia Alireti. Der Eintritt ist frei.

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